Peter Hammer:
Kommentar: Eine große Chance für Thjnk
Nur weil WPP eine weitere deutsche Agentur übernommen hat, bricht nicht gleich der kreative Notstand aus. Warum Thjnk eine starke Marke bleiben kann.
Jetzt fängt das Wehklagen wieder an: WPP hat Thjnk übernommen. Der britische Moloch mit Martin Sorrell an die Spitze hat wieder zugeschlagen. Und Deutschland um eine unabhängige Kreativadresse ärmer gemacht. Kann man so sehen. Muss man aber nicht.
Denn selbst die Holdings und Networks haben in den vergangenen Jahren dazugelernt. Deals wie die Thjnk-Übernahme führen nicht mehr automatisch zum Verblassen oder gar zum kompletten Niedergang der geschluckten Agentur. Das war früher oft anders. Leicht gerieten Agenturen in wirtschaftliche Schieflage, wenn der Earn-out abgeschlossen und das alte Management ausgeschieden war. Oder sie verschwanden aus strategischen Gründen komplett als Marke im Dickicht weltweiter Strukturen.
Sehen wir uns mal die Realität an.
Scholz & Friends, zwar keine inhabergeführte Agentur, sondern Eigentum eines Investors, wurde 2011 von WPP übernommen. Schon damals prophezeiten so genannte Experten, die Marke werde in ihrer Eigenständigkeit so massiv eingeschränkt werden, dass sie früher oder später an Glanz verliert. Davon kann keine Rede sein. Auch blieben die wichtigsten Akteure weiter an Bord.
2014 dann die Sensation: Heimat verkauft 70 Prozent der Agentur an das Omnicom-Network TBWA. Geschadet hat es ihr nicht. Die Berliner Kreativschmiede wird weiter als eigenständiger und erfolgreicher Akteur im Markt wahrgenommen, wirtschaftlich wie kreativ. Aber hat mit TBWA eine internationale Anbindung, die aus eigener Kraft nicht möglich gewesen wäre.
Im selben Jahr auch schlüpfte die Ikea-Agentur Grimm Gallun Holtappels unter das Dach des Interpublic-Networks Lowe. Das Management bestand damals darauf, den Namen zu behalten. Was trotz weiterer weltweiter Umstrukturierungen Bestand hat. Heute heißt die Agentur GGH Mullen Lowe.
Die internationale Anbindung führte auch 2015 dazu, dass WPP 49 Prozent an den Hirschen übernehmen konnte. Und? Der Agentur geht es prächtig. Alle Chefs blieben bislang an Bord. Lediglich das vorher in Eigenregie aufgebaute Netzwerk The Golden Dudes ist weitgehend obsolet geworden. Dafür gibt es als Partner die WPP-Agentur JWT.
Wen wundert es, dass auch der Thjnk-Vorstand mit dem Verkauf an WPP vor allem neue Chancen verbindet. Eine Internationalisierung mit Hilfe von Thyssen Krupp, mit der die Agentur das Joint Venture Bobby & Carl gegründet hat, ist zwar theoretisch denkbar, aber wenig realistisch. Und wer eine Liga höher mitspielen will, muss mehr bieten können als es eine Thjnk derzeit kann. Ja, Deutschland ist um eine unabhängige Agentur ärmer geworden. Aber vielleicht auch um einen international potenten Player mit deutschen Wurzeln reicher.