Gastkommentar von Marc Clormann:
Macht Design zur Chefsache!
TV-Spot, Online-Banner oder doch lieber Social? Bei der Werbung für Konsumgüter grübeln Marketer und Mediaplaner gern über die dritte Nachkommastelle im Mediaplan. Und übersehen einen zentralen Wettbewerksfaktor am PoS.
Produkt- und Packaging-Design sind die Außenseiter in der Marketingwelt. Einerseits ganz wesentliche Faktoren bei erfolgreichen Produkteinführungen – aber andererseits noch wenig beachtet, analysierte Nielsen im vergangenen Jahr in ihrem "Breakthrough Innovation Report": Im Marketing-Mix wird die Wirkung des Produktes am im Regal vielfach unterschätzt, warnen die Forscher. Aber warum ist das so, fragt sich Agenturchef Marc Clormann.
Alle singen im Marketing das Hohelied auf die Marke. Fürwahr: ein kostbares Gut, das sich sicher nie genug Gehör verschaffen kann. Wie man dieses ruinieren kann, darüber gibt es wahrlich genug Debatten. Mal lag’s an der Mafo, mal an der Kampagne und mal an der Mediastrategie. Doch der einfachste, naheliegendste Weg wird häufig außer Acht gelassen. Er führt über das Design. Einfach zweizeilige Briefings an die Design-Agentur verschicken, die Zusammenarbeit an den Junior in der Marketingabteilung delegieren und sich dann nach dem Bauchgefühl der Praktikantin für eine Variante entscheiden – fertig ist die Laube.
Design: Lasst einfach die Familie des Marketing-Chefs abstimmen
Design – egal ob Produkt- oder Packaging-Design – das ist doch das Biotop für kreative Spinner in schwarzen Rollkragenpullovern, die stundenlang über Farben und Formen diskutieren möchten. Debatten zum Thema Ästhetik, die so weit weg sind von der zahlenbasierten Realität des modernen Marketings wie der HSV vom Gewinn der deutschen Meisterschaft. Marketer haben Themen wie ROI der Media-Spendings, Customer Journey-Tracking und Touchpoint-Analysen auf dem Zettel. Aber Design? Darüber kann im Zweifelsfall auch kurz die Familie beim Abendessen abstimmen, oder?
Irgendetwas, glaube ich, läuft aktuell schief im Marketing: So ist etwa die Verteilung der Media-Spendings bei Konsumgüterherstellern jedes Mal ein mühevoller Kraftakt. Bis auf die xte Stelle hinter dem Komma wird gerechnet, ob nun verstärkt in klassische Medien, in Mobile oder Social Media investiert werden soll. Oder die Diskussion, ob nun Bibi oder DagiBee die garantiert passenden Influencer für die Marke sind. Ganz zu schweigen natürlich von den neuen packenden Content-Angeboten der Unternehmen, die ganz sicher scharenweise User zu Käufern machen. Etwa nicht?
Das Design – insbesondere das Packaging-Design – spielt dagegen häufig nur eine untergeordnete Rolle. Warum eigentlich? Eine normale Pralinen-Packung etwa erzielt im Durchschnitt 45 Touchpoints: Sie wird 32 Mal gesehen (Sichtkontakte) und 13 Mal zudem auch in die Hand genommen (haptische Kontakte). Und: 56 Prozent der europäischen Verbraucher sagen, dass das Entdecken neuer Produkte direkt im Geschäft die beste Inspirationsquelle sei. Von TV-Spots sagen dies nur 45 Prozent.
Das Packaging ist damit direkt am Point of Sale und auch später zuhause das Bindeglied zwischen Produkt und Konsumenten. Also ein ganz zentraler Markenbotschafter. Strahlend. Duftend. Greifbar. Multisensorisch und damit erlebbarer als andere Werbeträger - aber eben auch ein weithin unterschätzter. Weil wir uns auf Kundenseite bisher zu wenig Gehör verschafft haben. Dort sitzen eben immer noch die klassisch ausgebildeten Marketing-Entscheider, die in ihrem BWL-Studium Kotler, Meffert und Co gepaukt haben. Manager, die analytisch, zahlenbasiert Entscheidungen treffen. Genau die müssen wir überzeugen, dass die kreative Disziplin Design eine harte Erfolgskennziffer im Marketing ist. Härter und damit wichtiger als vielfach etwa der Media-Mix.
Wir müssen besser analysieren und kommunizieren
Noch haben wir zu wenig KPIs, die den Erfolg unserer Arbeit belegen. Viel zu stark verlassen wir uns auf unser kreatives Produkt und den emotionalen Impact. Der bleibt die Basis unserer Arbeit, doch es geht um mehr: Wenn wir beweisen wollen, dass Design einen ganz wesentlichen Beitrag bei Kaufentscheidungen leistet, dann müssen wir uns nach den Effizienz-Kriterien modernen Marketings messen lassen. Denn das ist mehr und mehr rein zahlengetrieben. Klar: das erfordert ein komplettes Umdenken der Branche. Es geht um eine gemeinsame Gattungsinitiative, die Forschung –also die Universitäten, uns – die Design-Branche – und unsere Auftraggeber gleichermaßen mit einbezieht. Ihnen müssen wir klarmachen: Design ist Chefsache!
Der Autor: Marc Clormann, ist Gründer und Geschäftsführer von Clormann Design in Penzing bei München. Auf der Kundenliste der Agentur Luxusmarken wie Hennessy, Dior und Lamborghini, aber auch das Startup Ankerkraut, das durch die Vox-Sendung "Die Höhle des Löwen" bekannt wurde.