"Man kann die Kunden heute nicht mehr verarschen"
Große Medienbühne für Amir Kassaei: In der "Süddeutschen Zeitung" keilt der Kreativstar gegen die Kommunikationsbranche. Die besten Zitate.
Große Medienbühne für Amir Kassaei: In der "Süddeutschen Zeitung" keilt der Kreativstar gegen die Kommunikationsbranche. "Man kann die Kunden heute nicht mehr verarschen", verkündet Kassaei gleich zu Beginn des Interviews. Und: "Wir haben zu viel heiße Luft verkauft".
Seine These: Die Digitalisierung habe den mündigen Verbraucher hervorgebracht, der weitaus besser über Produkte informiert sei als früher. Werbung im klassischen Sinne sei darum eine "sterbende Branche". Darum müssten Werber zu Unternehmensberatern und Produktentwicklern werden, die auf Augenhöhe mit ihren Kunden verhandeln. Denn: "Unternehmen müssen auf Herausforderungen reagieren, die nicht immer im Bereich von Marketing und Kommunikation zu lösen sind".
Kassaeis Argumente sind der Branche nicht neu, aber im "SZ"-Interview spitzt der DDB-Kreativchef noch einmal zu. So sei die weltweite Finanzkrise nicht allein von den Banken verursacht worden. Sondern auch vom Marketing: "Denn die Wurzeln dieser Krise liegt ja eigentlich im Konsum: Wer hat denn jahrelang den Amerikanern erzählt, dass sie sich über Konsum definieren sollen?"
Er selbst, so Kassaei, könne materiellen Versuchungen wahrscheinlich besser widerstehen als die meisten seiner Kollegen und jederzeit auch wieder in eine 20-Quadratmeter-Wohnung ziehen ("Diese innere Freiheit haben nicht viele Menschen in meiner Position").
Materielle Bescheidenheit und Bodenhaftung empfiehlt er auch seinen Kunden: "Wenn ich immer im Heck einer Limousine oder im Privatjet sitze, kann ich doch das wahre Leben nicht begreifen". Und so fragt sich Kassaei auch schon mal, "wieviele Dax-Vorstände regelmäßig mit der Straßenbahn fahren oder im Supermarkt einkaufen". Ob VW-Werber Kassaei darüber auch schon mit Konzernchef Martin Winterkorn oder Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch gesprochen hat, ist nicht überliefert.
Ein Leben fernab des Business-Glamours war für den gebürtigen Iraner jahrelang noch das geringste Problem. In den 80er Jahren ging es für Kassaei vor allem ums Überleben. Er wurde mit 13 Jahren in die iranische Armee eingezogen und kämpfte im Ersten Golfkrieg zwei Jahre lang als Kindersoldat gegen den Irak. Er habe in dieser Zeit auch mehrere Menschen erschossen, bestätigte er der "SZ".
Die Rückkehr in die alte Heimat ist für den früheren ADC-Sprecher noch immer nicht möglich: "Ich bin ein Deserteur. Das wäre wirklich keine gute Idee".