Angeblich toter Flüchtling in Berlin:
Über die tragische Lüge eines PR-Beraters
Ein PR-Profi setzt die erfundene Geschichte in die Welt, ein Flüchtling sei wegen der desolaten Zustände in Berlin gestorben. Ein Lehrstück zum Thema PR-Gau ist jedoch nicht angebracht. Die Ereignisse in Berlin künden eher von einer menschlichen Tragödie.
Als PR-Profi, der schon etliche namhafte Unternehmen betreute, hätte Dirk V. wissen müssen, was eine solche Nachricht auslöst. Und wie sehr sie den Flüchtlingshelfern von "Moabit hilft!" in Berlin schaden kann. Aber er verfasste den verhängnisvollen Facebook-Post in betrunkenem Zustand und sehr emotional. Das gibt er später selber zu. Dirk V. handelte in diesem Moment als überforderter Flüchtlingshelfer, als Mensch. Und sicher nicht als PR-Profi. Deshalb ist hier kein Lehrstück zum Thema PR-Gau oder Krisen-PR angebracht. Die Ereignisse in Berlin künden eher von einer menschlichen Tragödie.
Was ist passiert? Der Berliner Autor, Blogger und PR-Berater hatte Mittwochnacht auf Facebook behauptet, dass in seiner Wohnung ein sterbenskranker Syrer sei. Dieser habe zuvor krank und geschwächt stundenlang in einer Schlange vor der Berliner Sozialbehörde LaGeSo ausharren müssen, die seit Monaten wegen desolater Zustände in der Kritik steht. Aus Mitleid habe er ihn bei sich zu Hause aufgenommen, wie so viele Flüchtlinge in den vergangenen Monaten. In der Nacht sei der 24-jährige Syrer dann in einem Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.
Diese Nachricht verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Netzwerken und in den Medien. Die Folge: Fassungslosigkeit, Bestürzung, große Aufregung. Eine Bestätigung gab es jedoch nicht. Denn Dirk V. verbarrikadierte sich den Tag über in seiner Wohnung, war für Behörden, Presse, Helfer und besorgte Freunde stundenlang nicht zu sprechen. Dieses Verhalten und Ermittlungen der Polizei schürten dann nach und nach den Verdacht, dass seine Geschichte nicht stimmt. Was V. später gegenüber der Polizei auch zugab.
Wie kann das sein? Wie kann ein PR-Profi so handeln und einer Sache, die ihm offensichtlich sehr am Herzen liegt, so massiv schaden? Dirk V. engagierte sich seit Monaten wie Tausende anderer Berliner beim LaGeSo in Berlin und half dort Flüchtlingen. Die Zustände vor der Sozialbehörde werden seit Monaten als katastrophal beschrieben, weil die Menschen stundenlang mit Kind und Kegel in der Kälte anstehen müssen. Das macht den vielen ehrenamtlichen und professionellen Helfern vor Ort sehr zu schaffen, die den Berliner Senat deshalb schon seit langem massiv kritisieren. Unter Helfern galt Dirk V. als einer der engagiertesten und zuverlässigsten Aktivisten, schreibt der "Tagesspiegel".
Und genau das war offenbar das Problem, wie Dirk V. später in einem Facebook-Post schreibt, in dem er sich entschuldigt:
„Ich möchte mich hiermit bei euch aus tiefstem Herzen entschuldigen. Es tut mir unendlich leid, dass ich viele Menschen mit meiner falschen Aussage verletzt habe. Ich übernehme für das, was daraus folgte und möglicherweise noch folgen wird, die volle Verantwortung.
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Seit einigen Wochen merke ich zunehmend, dass mich mein ehrenamtliches Engagement mehr und mehr an die Grenzen der psychischen und auch körperlichen Belastung bringt. Mehrfach wollte ich mich zurück ziehen, habe es aber nicht geschafft. Gestern Nacht kam ich von einer Feier mit syrischen Freunden und hatte ziemlich viel Alkohol getrunken. Zu viel! Da es wirklich einen jungen Mann gibt, der sich vorm LaGeSo eine schlimme Grippe/Mandelentzündung zugezogen hat, muss ich mich in eine Geschichte hinein gesteigert haben, die ich in diesem Moment wohl selbst geglaubt habe.
Die Frage, die man sich stellen muss, ist nicht: Wie kann einem PR-Profi so etwas passieren? Sondern vielmehr: Was macht die Flüchtlingskrise und die Untätigkeit der Politik mit den Helfern? Und wie kann man diesen Helfern nun helfen?