Auch aus Deutschland kommen gute Arbeiten

Fangen wir mit den Cases für Content Marketing an. Heineken möchte man hoffnungsvoll zuprosten, denn dem Bierhersteller gelingt es in außergewöhnlicher Weise zu zeigen, was man an einer Bar alles klären kann. Welchen besseren Ort als eine Bar gäbe es, an dem Menschen sich begegnen, der scheinbaren Sicherheit der sozialen Medien entfliehen und in direktem Austausch ihre Gegensätze besprechen könnten? Just having a beer, wobei das Bier in den Hintergrund und die Haltung in den Vordergrund tritt.

Auf Ihr Bekenntnis zum deutschsprachigen Raum und das, "was Werber (bitte nicht vergessen: die Content Marketers) hervorbringen", möchten wir noch was draufsetzen. Zu Ihren Beispielen lassen sich ohne groß nachzuforschen die digitalen und crossmedialen Auftritte von Allianz 1890, Siemens Answers oder Haniels Enkelfähig hinzufügen. "Selbst ein Hidden Champion wie Freudenberg, Erfinder einer Dichtung, ohne die heute nichts fließen würde, passt hier dazu: Sein crossmediales Unternehmensmagazin Essential setzt sich mit Technologiefolgen auseinander und der Verantwortung, die Ingenieure für unsere Gesellschaft haben."

Und wenn Unternehmen nur verkaufen wollen, da sind wir bei Ihnen, dann sollen sie das tun, gerne nicht nur mit Werbung, sondern auch mit kontinuierlichem Content, so wie Rewe es mit "Deine Küche", Edeka mit "Mit Liebe" oder Saturn mit "Turn On" macht – auch da schwingt Haltung mit, mindestens eine Grundeinstellung, mit der sich Rezipienten und Käufer identifizieren können, wenn sie wollen. Beispiele haben wir also genug.

Die Definition von Content Marketing

Wir haben noch etwas. Ihren Wunsch nach einer Hall of Fame kann das Content Marketing Forum bedienen. In unserer Hall of Fame sind aus bald 15 Jahren die Besten der Besten, international ausgezeichneten Medien der inhaltsgetriebenen Unternehmenskommunikation vereint. Ende Juni kommen weitere dazu, wenn wir in Berlin das Jubiläum des Best of Content Marketing feiern, in Europa der größte Kongress und Award dieser Branche.

By the way, lieber Herr Koch, sind Sie dabei? Ihr Brieffreund, also der liebe Johannes Ceh, legt sich schon seine Argumente zurecht, wenn er auf der Podiumsdiskussion des BCM über Haltung und Aufrichtigkeit im Content Marketing diskutieren wird.

Haltung erwächst am leichtesten dann, wenn man weiß, worüber man spricht. Deswegen ist das Content Marketing Forum ein wenig stolz auf seine Definition des Content Marketing, die sich zunehmend verbreitet und eher selbst eine Haltung ist als eine theoretische Vorschrift. Weil sie weder Marktbegleiter noch Marktanteile ausschließt – zur Hälfte ist Unternehmenskommunikation halt print- und zur Hälfte digital getrieben. Weil sie offen ist und sie sich jeder – aus Werbung, Verlag, Journalismus, PR oder sogar als technischer Dienstleister – zu eigen machen kann: "Content Marketing ist die Disziplin im Marketing, die mit redaktionellen Inhalten strategische Unternehmensziele vorantreibt. Diese Inhalte entfalten auf allen eingesetzten Kanälen eine messbare Wirkung."

In Ihren Briefwechseln haben Sie diese leicht anwendbaren Sätze schon zitiert. Wir finden: Man kann es nicht oft genug sagen.

Die Wut in der Diskussion

Vor allem deswegen, weil es so viele in unserer Branche gibt, die gerade erst Content Marketing entdecken, für sich persönlich als Karrierechance, als Zug, auf den man aufspringen muss, als Plattform, auf der man seine Agentur positionieren kann usw. usf. Wenn Sie sauer und wütend sind, dann bin ich persönlich oft bass erstaunt, auch fassungslos manchmal, denn ich hätte nicht gedacht, wieviel Basisdiskussion zu Content Marketing notwendig ist. Und wie viel Aggressivität in den Argumenten oft steckt. Lassen Sie sich nicht in die Resignation treiben, lieber Thomas Koch, lieber Johannes Ceh! Ich lasse es mich auch nicht.

Kaum zu toppen war der jüngste Strauß, den ich auf Twitter auszufechten hatte. "Journalismus verhalte sich zu Content Marketing wie Liebe zu Prostitution", so der Tweet, der wenig Herzchen, aber einige Antworten provozierte. Nun lasse ich mich ungern als Mediennutte verunglimpfen, denn ich bin mein Berufsleben lang meinen journalistischen Werten treu geblieben, wie all jene aus dem Journalismus stammenden Agenturkollegen, die ich über meine Arbeit im Content Marketing Forum kennen lernen durfte. Dennoch kostete es mich Überwindung, diesen Tweet einfach als unreflektierte Äußerung – im Übrigen eines Geschäftsführers einer PR-Agentur – abzutun.

Wir – die Agenturen, Verlage, Verbände und Sie als scharfsichtige Branchenbeobachter – müssen weiter daran arbeiten, dass es in der Content-Marketing-Branche Halt und Haltung gibt. Content Marketing ist keine junge Branche mehr (auch wenn es zahllose Fachbeiträge und Vorträge schlecht recherchiert behaupten – Content Marketing hat bereits seine Volljährigkeit erreicht). Content Marketing ist keine Strategie per se und es braucht auch keinen Vorsatz wie "strategisch", um es von "klassischen" Ansätzen zu differenzieren. Im Content Marketing herrschen auch keine chaotischen Zustände – die entstehen erst, wenn wieder einer, egal ob er es für seine Agentur oder für einen Verband macht, den erneuten, aber nicht neuen Anlauf unternimmt, um "für Struktur zu sorgen". So einfach lässt sich Content Marketing nicht ausbeuten und schon gar nicht bändigen. Warum will man das überhaupt?

Aufstehen, weitermachen!

Was die Verbände unserer Branche betrifft, so gibt es eine gemeinsame Haltung und ein gemeinsames Vorgehen – die von Ihnen zitierte Nachwuchskampagne startet zum 17. Mai und hat die großen Werber-, PR- und Inhaltsverbände zueinander gebracht. Wir alle wünschen uns ein weiteres gemeinsames Vorgehen und regen Austausch. Das ist der Weg, wie wir den verantwortungsvollen Umgang mit Inhalten und mit Content Marketing an sich in die Unternehmen und in die Branche tragen.

Und wenn wir schon beim Wünschen sind: Dann wünschen wir uns, dass Sie mit Ihrem Schriftwechsel weitermachen. Bleiben Sie unbequem. Bleiben Sie authentisch. Denn aus Authentizität wächst Haltung. Und aus Haltung wächst Resonanz.

Über den Autor:

Christian Fill ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Content Marketing Forums und geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Profilwerkstatt. Das über 115 Mitglieder zählende CMF positioniert sich als Branchenverband für inhaltsgetriebene Unternehmenskommunikation.

Den Briefwechsel zum Thema Content Marketing zwischen Mr. C und Mr. Media finden Sie hier.

„Hat Christian Fill Recht? Fehlt es an Haltung im Content Marketing?”


Autor: W&V Gastautor:in

W&V ist die Plattform der Kommunikationsbranche. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Eine:n davon habt ihr gerade gelesen.


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