Was aber noch schwerer wiegt: Der Boykottaufruf greift zu kurz. Wie gesagt: Man kann, man muss Awards und die Kreativrankings, die daraus entstehen, reformieren, damit sie die Marktrealität besser abbilden. Substanz zählt. Aber letztlich geben die Ergebnisse Kunden wie Talenten auch eine Übersicht darüber, wer was kann im Markt.

Heimat und Jung von Matt gelten als beste Kreativagenturen Deutschlands - ihrer Arbeiten, ihres Auftritts, aber auch ihrer Preise wegen! Mag sich die Erfolgsbilanz der beiden auf einige wenige, große Arbeiten stützen, der kreative Ruf eilt diesen Agenturen voraus. Und das, obwohl Jung von Matt zum Beispiel nur alle zwei Jahre einreicht.

Kempin und Störl sagen: "Wer sich unsere Arbeiten anschaut, weiß, was wir drauf haben." Awards und Kundengewerk - das seien zwei verschiedene Welten. Kommt oft genug vor - nicht immer aber inspiriert eben die echte Welt. Wo Werber zu einem Schlagabtausch zusammenkommen, sei es beim ADC, in Cannes, beim D&AD oder den New York Festivals, entzündet sich immer auch der Funke Kreativität. "Warum bin ich bloß nicht auf diese Idee gekommen?", heißt es dann oft.

Was macht mehr Spaß: Joghurtverkaufen oder Preise gewinnen?

Und letztlich motiviert der Erfolg bei Awards, den Rankings doch auch. Gerade den Nachwuchs.

Kempin und Störl sagen: "Die jungen Leute motiviert man am besten, wenn man sie im Tagegeschäft tolles Zeugs machen lässt." Das ist korrekt, Blood hat da ja auch was zu bieten.

Allerdings: Wer mal in Cannes war, weiß, dass ein Löwe die Krönung einer guten Idee, eines harten Arbeitsjahres, eines ganzen Lebenswerkes sein kann. Kreativpreise spornen an, machen stolz, bieten Abwechslung in einem doch eigentlich trockenen Business, in dem es letztlich darum geht, den Absatz eines Unternehmens zu steigern. Awards eröffnen ganz andere Spielfelder. Kreative wollen sich messen!

Blood Actvertising wird die knapp 10.000 Euro, die sie jetzt sparen, weil sie nicht beim ADC einreichen, für einen guten Zweck spenden. Das ist lobenswert, das ist gut.

Aber ganz ehrlich: Das könnten sie - weit weniger PR-wirksam - das ganze Jahr über tun. Oder aber: Sie reichen exakt diesen Case 2018 beim ADC ein - und zwar in PR, Branded Content und Dialog. Da wär was drin, ganz bestimmt!


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.