Kommentar:
Warum der Boykottaufruf von Blood Actvertising Quatsch ist
Der ADC bittet um Einreichungen und Blood Actvertising macht einen PR-Case daraus. Statt sich selbst zu feiern, sollten Agenturen das Award-Geld lieber spenden. So wie Blood, die Guten, aber das ist zu kurz gedacht.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Der Awardwahn, das Bohei um die vielen Branchenrankings sind zu recht kritikfähig. Zu viel, zu groß, zu unübersichtlich, zu breit, zu teuer. Es gibt viele gute Gründe. Zu Recht haben die Cannes Lions jüngst beschlossen, ihr Festival zu verschlanken. (Lesen Sie dazu auch ein Interview mit dem Festivalrepräsentanten in Deutschland, Florian Weischer, in der kommenden W&V-Ausgabe)
Die Kritik trifft auch den ADC. Der Art Directors Club für Deutschland verteilt seit Jahren zu viele Nägel bei seinen Awards; das macht die Preise wertlos. "Kriegt ja jeder einen", hat Tele5-Chef Kai Blasberg neulich noch im W&V-Interview gesagt. Er hat recht. Vor wenigen Tagen hat der Kreativenclub dazu aufgerufen, Arbeiten fürs nächste Jahr einzureichen.
Blood Actvertising in Hamburg hat das zum Anlass genommen, zum Boykott der Veranstaltung aufzurufen - ja, generell von Kreativpreisen. Motto: Lieber das Award-Geld sparen und an hungrige Kinder auf der ganzen Welt spenden. "Nicht der ADC füttert Deine Kreativität, sondern wir füttern den ADC", so die Geschäftsführer Lars Kempin und Norman Störl in ihrem Facebook-Video, in dem sie den Slogan der ADC-Kampagne von Heimat in ihrem Sinne neu interpretieren.
Das ist polemisch - und überdies falsch. Denn der ADC ist - anders als etwa die Cannes Lions - ein eingetragener Verein, der vor allem ideelle Zwecke verfolgt. Das Event mit Kongress, Ausstellung und Awardshow ist teuer und muss irgendwie finanziert werden. Hier das Video der beiden:
Was aber noch schwerer wiegt: Der Boykottaufruf greift zu kurz. Wie gesagt: Man kann, man muss Awards und die Kreativrankings, die daraus entstehen, reformieren, damit sie die Marktrealität besser abbilden. Substanz zählt. Aber letztlich geben die Ergebnisse Kunden wie Talenten auch eine Übersicht darüber, wer was kann im Markt.
Heimat und Jung von Matt gelten als beste Kreativagenturen Deutschlands - ihrer Arbeiten, ihres Auftritts, aber auch ihrer Preise wegen! Mag sich die Erfolgsbilanz der beiden auf einige wenige, große Arbeiten stützen, der kreative Ruf eilt diesen Agenturen voraus. Und das, obwohl Jung von Matt zum Beispiel nur alle zwei Jahre einreicht.
Kempin und Störl sagen: "Wer sich unsere Arbeiten anschaut, weiß, was wir drauf haben." Awards und Kundengewerk - das seien zwei verschiedene Welten. Kommt oft genug vor - nicht immer aber inspiriert eben die echte Welt. Wo Werber zu einem Schlagabtausch zusammenkommen, sei es beim ADC, in Cannes, beim D&AD oder den New York Festivals, entzündet sich immer auch der Funke Kreativität. "Warum bin ich bloß nicht auf diese Idee gekommen?", heißt es dann oft.
Was macht mehr Spaß: Joghurtverkaufen oder Preise gewinnen?
Und letztlich motiviert der Erfolg bei Awards, den Rankings doch auch. Gerade den Nachwuchs.
Kempin und Störl sagen: "Die jungen Leute motiviert man am besten, wenn man sie im Tagegeschäft tolles Zeugs machen lässt." Das ist korrekt, Blood hat da ja auch was zu bieten.
Allerdings: Wer mal in Cannes war, weiß, dass ein Löwe die Krönung einer guten Idee, eines harten Arbeitsjahres, eines ganzen Lebenswerkes sein kann. Kreativpreise spornen an, machen stolz, bieten Abwechslung in einem doch eigentlich trockenen Business, in dem es letztlich darum geht, den Absatz eines Unternehmens zu steigern. Awards eröffnen ganz andere Spielfelder. Kreative wollen sich messen!
Blood Actvertising wird die knapp 10.000 Euro, die sie jetzt sparen, weil sie nicht beim ADC einreichen, für einen guten Zweck spenden. Das ist lobenswert, das ist gut.
Aber ganz ehrlich: Das könnten sie - weit weniger PR-wirksam - das ganze Jahr über tun. Oder aber: Sie reichen exakt diesen Case 2018 beim ADC ein - und zwar in PR, Branded Content und Dialog. Da wär was drin, ganz bestimmt!