Manchmal sagt das Wie ja sogar ein wenig mehr als das Was. Und beim Wie vermitteln beide Herren im Gespräch tatsächlich sehr intensiv den Eindruck, dass man prima miteinander kann und der berühmte gemeinsame Strang nicht nur unvermeidlicher Bestandteil aus dem Wort-Baukasten ist. Wenn Schrader und Frese miteinander oder auch übereinander sprechen, dann ist der Respekt, ist die gegenseitige Anerkennung geradezu spürbar. Einer hört dem anderen zu, für Außenstehende wäre auch nicht erkennbar, dass Matthias Schrader hinkünftig unter traditioneller Herangehensweise durchaus so etwas wie der Chef von Fabian Frese ist.

Nicht nur an dieser Stelle wird deutlich, dass ein Gelingen des ambitionierten Projekts Accenture Interactive DACH ganz entscheidend mit der Person Schrader verbunden ist, der eingeschlagene Weg so wahrscheinlich nur mit ihm an der Spitze möglich ist. Schraders Verständnis seiner Aufgabe ist wesentlicher Teil der gesamten Idee, aus verschiedenen Agenturen ein großes Ganzes zu machen, ohne den einzelnen Teilen ihre Identität zu nehmen. Die Situation der Führung von Kolle Rebbe kennt Schrader selbst aus eigener Anschauung, schließlich ist SinnerSchrader ja auch erst seit  1 1/2 Jahren Teil von Accenture. "Wer aus der Inhaberschaft kommt, für den ist das natürlich eine Veränderung", räumt der heutige CEO Accenture Interactive DACH ein. Aber: "Am Ende sind wir alle Dienstleister, der eigentliche Chef ist der Kunde. Da spielt das Organigram keine große Rolle." Zustimmendes Nicken von Fabian Frese. Bei so viel Einigkeit in Sachen Selbstverständnis passt es wunderbar ins Bild, dass beide dunkelblau gekleidet erscheinen, als hätten sie sich am Morgen abgesprochen oder Accenture Interactive eine Art Firmenuniform eingeführt.

"Die Agentur entscheidend weiterbringen"

Klamotten hin, Selbstverständnis der GF her - eine Integration wie diese kann nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter auf beiden Seiten mitspielen. Besonderes Augenmerk liegt dabei natürlich auf der Truppe von Kolle Rebbe. Wie haben die den neuen Weg aufgenommen? Geradezu mit Euphorie, sagt Fabian Frese. "Die Aufbruchstimmung passt perfekt zu der Veränderung, die wir als Agentur machen." Eine Veränderung, die ja schon lange begonnen habe, erklärt Frese weiter. Kolle Rebbe habe im Digitalen bereits massiv aufgerüstet und auch schon eine Reihe von Projekten in diesem Bereich. Die Entscheidung sei auch nicht aus Not getroffen worden, wirtschaftlich habe die Agentur ein sehr gutes Jahr gehabt, sagt Frese - obwohl der Tod von Gründer Stefan Kolle die Firma zunächst in den Grundfesten erschüttert hatte. Dennoch sei man zu dem Entschluss gekommen, dass Kolle Rebbe für die "hohen Herausforderungen der Zukunft" in einer neuen Konstellation besser gerüstet sei. "Wir wollten die Agentur entscheidend weiterbringen, genauso wichtig war aber, unsere Kultur nicht zu gefährden", sagt Frese. Deshalb habe man auch viel Zeit investiert, um mit anderen Agenturen zu sprechen, die den Schritt bereits gegangen seien, berichtet Frese. Als Beispiel nennt er die britische Karmarama, inzwischen auch Teil von Accenture Interactive. "Das hat denen kulturell nicht geschadet" zieht Frese kurz Bilanz.

Hinzukommt, dass sich Matthias Schrader vor nicht allzulanger Zeit selbst ganz ähnliche Fragen selbst beantworten musste und die Integration von SinnerSchrader auch Veränderungen ausgelöst hat. "Accenture hat viel gelernt", sagt Schrader selbst. Wesentlicher, weil sehr prominenter, Punkt ist dabei das Thema der Agenturmarken. Hier hat sich offensichtlich tatsächlich etwas getan. Galt vor einiger Zeit noch als fest ausgemacht, dass es SinnerSchrader in Zukunft als Namen nicht mehr geben wird, ist dies inzwischen offenbar nicht mehr so sicher. "Unsere These ist, dass wir früher oder später alle den gleichen Namen haben werden", sagt Matthias Schrader und schickt ein "we will see" hinterher. Es wäre jedenfalls keine allzugroße Überraschung mehr, wenn die bisherigen Markennamen auch unter dem Dach der "größten Digitalagentur der Welt" (Schrader) bestehen bleiben.

Auf dem Weg zum Next Agency System

Am Ziel, an der Idee des Next Agency System, würde dies ohnehin genauso wenig ändern, wie an der Art des gemeinsamen Arbeitens. Interessant dabei: Die Projekt-Teams sollen nicht immer wieder neu aus den unterschiedlichen Agenturbestandteilen zusammengestellt werden. Stattdessen sollen sich die Studios entsprechend ihrer Kompetenzen um die passenden Teile eines Auftrages kümmern. "Der dominierende Teil des Geschäfts ist studiobasiert. Geschlossene Gewerke sollen in den Studios fertiggestellt werden", erklärt Schrader. Zum Teil seien Studios mit einem Kunden ausgelastet, es werde in Zukunft auch noch mehr Custom-Studios vor Ort beim Kunden geben.

Voraussetzung für diese Herangehensweise ist natürlich ein übereinstimmendes Grundverständnis. Dazu gehört die Erkenntnis, dass echte Kreation heute ohne Technologie nicht mehr funktioniert, die Technologie aber gleichzeitig nicht als Selbstzweck glorifiziert werden soll. Fabian Frese: "Wir wollen tolle Sachen machen, noch kreativer werden, Preise gewinnen". Die Leitfrage dazu formuliert Matthias Schrader: "Was braucht man, um Menschen zu bewegen?" Der Anspruch ist dabei ebenso hoch wie klar formuliert. Schrader dazu: "Was man mit Accenture nicht bauen kann, das kann man mit niemandem bauen. Wenn der Kunde es wirklich will, dann habe ich die richtige Mannschaft, die das kann." 


Autor: Holger Schellkopf

Chefredakteur. Mitglied der W&V-Geschäftsleitung. Sozialisiert mit Print, konvertiert zu digital. Findet beides prima. Feste Überzeugung von @hschellk : Digital Journalism rocks! Versucht ansonsten, sich so oft wie möglich auf das Rennrad zu schwingen oder in die Laufschuhe zu steigen.