Untersuchung:
WM-Kampagnen: Nur schlechte Spots profitieren
Der Werbeeffekt schlechter Spots verbessert sich, wenn sie einen Bezug zum Fußball aufweisen. Gut gemachte Spots verlieren dagegen an Wirkung, wenn sie an die populäre Ballsportart anknüpfen. Zu diesem Ergebnis kommen Kommunikationswissenschaftler der Universität Münster.
Fußball-WM ist wie Weihnachten. Irgendwie kommt keiner daran vorbei. Und auch die meisten Werbungtreibenden glauben, vor und während des Fußball-Massen-Spektakels auf jeden Fall (Deutschland-)Flagge zeigen zu müssen. Jeder will auf seine Weise am vier Wochen langen, kollektiven Dauer-Rausch partizipieren und hofft dabei, zusätzlichen Umsatz abgreifen zu können. Selbst wenn Neuromarketing-Experten wie Kai Fehse die meisten Kampagnen rund um die WM für reichlich ineffizient halten.
Kommunikationswissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster haben sich im Rahmen einer Untersuchung den Werbeeffekt fußballzentrierter TV-Kampagnen genauer angeschaut. Das überraschende und aus Sicht vieler Kreativen in den Agenturen sicher auch ein wenig frustrierende Ergebnis: Der Werbeeffekt schlechter Spots verbessert sich, wenn sie einen Bezug zum Fußball aufweisen. Dagegen verlieren gut gemachte Spots an Wirkung, wenn sie an die populärste aller Ballsportarten anknüpfen.
Professor Volker Gehrau vom Münsteraner Institut für Kommunikationswissenschaft ging bereits während der Fußball-WM 2010 im Rahmen eines Forschungsseminars der Frage der Werbewirkung nach. In Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen Mindline Media wurde eine quasi-experimentelle Online-Befragung an einer repräsentativen Stichprobe durchgeführt. Rund 440 Teilnehmer aus der werberelevanten Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren wurden in vier strukturgleiche Gruppen aufgeteilt und zu zwei Spots mit und zwei Spots ohne Bezug zur Fußball-WM befragt.
Das Resultat überraschte den Professor nicht. "Diesen Effekt kennen wir bereits von TV-Werbung, die Humor oder Erotik aufgreift", sagt Gehrau. Die Befragten erinnerten sich insgesamt schlechter an die TV-Spots, in denen Fußball oder die WM vorkamen. Zudem erkannten sie die dazugehörige Marke seltener als bei den Spots ohne Bezüge. Wissenschaftler bezeichnen diese Wirkung als Vampireffekt: Fußball schafft zunächst eine hohe Aufmerksamkeit und Aktivierung, ist aber so dominant, dass er von der eigentlichen Werbebotschaft ablenkt.
Der Fußballbezug führte bei den Befragten trotz allem zu einer höheren Empfehlungs- und Kaufbereitschaft. "Der Effekt von TV-Werbung mit Fußball- oder WM-Bezug lässt sich mit einem Holzhammer vergleichen: Er nivelliert", resümiert Gehrau. "Fußball oder die WM helfen zwar schlechten Spots, schaden aber TV-Werbung, die gut gemacht ist."