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"Zu halbherzig": Das sagen Kreativchefs zur Cannes-Reform
Ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht konsequent genug: So lässt sich die Reaktion deutscher Kreativchefs auf die Reform der Cannes Lions auf den Punkt bringen.
Bei den Cannes Lions werden 120 Unterkategorien gestrichen. Das Festival wird von acht auf fünf Tage verkürzt, die Awardstruktur komplett überarbeitet. Cyber Lions, Integrated Lions und Promo & Activation Lions fallen weg. Für kleinere Agenturen dürfte jedoch diese Änderung am einschneidensten sein: Ab 2018 darf eine einzelne Arbeit in maximal sechs Kategorien eingereicht werden. Damit wird es künftig unmöglich, mit singulären Projekten Rankings im Sturm zu erobern.
Neu in Cannes sind Kategorien wie Brand Experience & Activation, Creative E-Commerce oder die Social & Influencer Lions. Charity-Arbeiten werden künftig völlig separat präsentiert und bewertet.
Wie reagieren deutsche Kreativchefs auf die Reform der Cannes Lions?
Guido Heffels (Heimat):
"Die Reform kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Festival in einer schweren Identitätskrise steckt. Auch nach der Kosmetik bleibt es eine komplexe Award-Show mit ein paar publikumswirksamen Vortragsreihen. Natürlich sind jetzt alle Kritiker auf ihre Weise beschwichtigt. Eine wirkliche Reform müsste aber, frei nach Beuys, sagen 'Von hier aus'. Eine Institution, die nach vorne blickt und nicht Sentimentalität verwaltet. Das braucht Diskurs und Dissonanz, kurz: Mut."
Götz Ulmer (Jung von Matt):
"Die Änderungen in Cannes gehen in die richtige Richtung, sind aber viel zu halbherzig und nicht radikal genug, um verloren gegangenen Respekt wieder wett zu machen. Es wurde nur drüber gespachtelt, nicht entrostet."
Ralf Heuel (Grabarz & Partner):
"Mehr ist nicht immer mehr. Es wurde Zeit, Cannes ein bisschen auf Diät zu setzen, den Lions ihre Seele zurückzugeben. Dafür zu sorgen, dass sich der Veranstalter wieder stärker auf das konzentriert, was Cannes in der Vergangenheit ausgemacht hat: Das Prämieren und Feiern der besten Kreation der Welt. Für mich ein Schritt in die richtige Richtung."
Stephan Vogel (Ogilvy/ADC-Präsident):
"Es ist gut, dass Cannes sich bewegt. Das Businessmodell ist zuletzt nicht mehr nur stark gewachsen, es ist ausgeufert. Der Markt macht das nicht mehr mit. Der Protest wirkt jetzt."
Matthias Spaetgens (Scholz & Friends):
"In den letzten Jahren ist eine Blase aus immer mehr Wettbewerben, Kategorien und steigenden Gebühren entstanden. Aus dieser Blase entweicht mit der Cannes-Lions-Reform nun Luft. Ein Cannes-Löwe ist in unserer Branche eine ganz besondere Währung. Es ist gut, wenn sein Wert wieder steigt. Besonders erfreulich finde ich die die Konzentration auf fünf Tage: In den letzten Jahren hatte man eher das Gefühl, sich in Cannes zu verpassen statt sich zu begegnen."
Matthias Harbeck (Serviceplan):
"Ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung:
Abschaffung der Cyber Lions: überfällig.
Weniger Unterkategorien: überfällig.
Kürzeres Festival und günstigere Hotelpreise: überfällig.
Inhaltlich bessere Vorträge: überfällig.
Gratispässe für Nachwuchskreative von Mehreinreichern: überfällig.
Schade, dass man den Cannes-Organisatoren erst mit Boykott kommen musste, damit sich etwas ändert. Das zeigt, dass es ihnen im Kern schon länger nicht mehr um die vielbeschworene Kreativität geht. Sondern ums Geld."
Fabian Frese (Kolle Rebbe):
"Die Drosselung auf maximal sechs Kategorien pro Arbeit (was immer noch eine Menge ist) finde ich genau richtig, weil dann nicht mehr nur die Arbeiten im Fokus stehen, die man am kreativsten einsenden kann.
Auch wenn das dazu führt, dass ich unser Agenturziel von 48 Löwen in 2018 nochmal neu kalkulieren muss :-)
Aber vielleicht geht ja was in den Kolle-Rebbe-Spezialkompetenzen Creative E-Commerce und Sustainable Development Dingsda."