Aber sie sagen nie, wie gut eigentlich genau. Warum?

Wir haben mitgeteilt, dass wir auf dem amerikanischen Tablet-Markt einen Anteil von 22 Prozent haben - und der Kindle Fire ist erst seit elf Monaten auf dem Markt. Aus meiner Sicht ist es ein großer Markt mit Platz für mehrere Gewinner.

Was war der Punkt, an dem Sie gesagt haben: Wir machen ein Tablet?

Das war vor ungefähr zwei Jahren. Unsere E-Book-Reader verkauften sich sehr gut und wir wollten den Kunden zusätzlich ein Gerät mit mehr Funktionen anbieten. Mit der schwerste Teil des Geschäfts ist, ein Ökosystem aufzubauen - das hatten wir da schon. Der Hauptgrund, warum Dutzende Android-Tablets am Markt gescheitert sind, war, dass dahinter kein Ökosystem stand. Man kann zum Beispiel einfach kein Tablet ohne einen Musik-Shop anbieten. Dank dem Kindle hatten wir zudem acht Jahre Erfahrung, wie man ein Gerät baut.

Wie schwer war es, als Online-Händler auch zum Gerätehersteller zu werden?

Als wir vor acht Jahren mit der Entwicklung des Kindle anfingen, haben uns viele gesagt: "Schuster, bleib bei Deinen Leisten". Aber das Problem mit einem solchen Ansatz ist, dass man nicht mit den Anforderungen der Kunden wächst. Und dafür muss man auch neues lernen. Jedenfalls, das erste, was wir beim Einstieg in das Geschäft gemacht haben, war, uns einen Manager zu holen, der sein ganzes Leben lang Hardware gebaut hat.

Dann könnten Sie jetzt doch noch ein Smartphone entwickeln, um das Angebot abzurunden?

Netter Versuch - aber wir sprechen nicht über Pläne für zukünftige Produkte.

Das US-Magazin "Fast Company" schrieb einmal vom "Großen Tech-Krieg" zwischen Amazon, Apple, Google und Facebook. Fühlen Sie sich im Krieg?

Ich sehe das etwas anders. Viele betrachten das Geschäft als eine Art sportlichen Wettkampf, aber Business ist etwas ganz anderes. Beim Sport gibt es immer Sieger und Verlierer. In der Wirtschaft können Branchen Aufschwung oder Niedergang erleben und es ist sehr selten, dass es dabei nur einen Gewinner gibt. Vielleicht ist einer stärker in bestimmten Bereichen, oder hat mehr Marktanteil. Aber ich habe in meinen Jahren im Geschäft gelernt, dass es am Gefährlichsten ist, sich nicht von den anderen zu unterscheiden. Man muss etwas Neues bieten, Nachahmer-Produkte funktionieren auf Dauer nicht. Wir wollen Sachen erfinden, die den Leuten anfangs ungewöhnlich vorkommen - aber einige Jahre später für alle normal sind. Das ist das größte Kompliment, das es für einen Erfinder geben kann.

Amazon hat maßgeblich zum Aufstieg der E-Books beigetragen, wie sehen Sie jetzt die Zukunft der gedruckten Bücher - werden sie in den nächsten Jahren aussterben?

Wir sehen bisher, dass die Menschen, die sich ein Kindle-Lesegerät anschaffen, danach nicht nur mehr digitale Bücher kaufen, sondern auch mehr gedruckte. Sie lesen einfach mehr. Im Moment ist es kein entweder/oder. Ich weiß nicht, wie sich das weiterentwickeln wird. Bei Musik ging der Umschwung zu Downloads sehr schnell, das scheint bei Büchern derzeit anders zu sein, auch wenn E-Books ein wichtiger Teil des Geschäfts sind. Inzwischen verkaufen wir auch in Deutschland mehr digitale als Hardcover-Bücher.

Wie kompliziert waren die Verhandlungen für die Kindle-Leibücherei?

Das war von Verlag zu Verlag unterschiedlich, aber ich denke, wir haben ein sehr gutes Angebot zusammenbekommen. Zumal das Geschäftsmodell anders als bei einer traditionellen Bibliothek ist - der Rechteinhaber wird jedes Mal bezahlt, wenn jemand ein Buch ausleiht.

Lohnt es sich für Amazon dann noch, wenn sie die Verlage bezahlen?

Das Angebot gilt nur für Kindle-Besitzer und Kunden von unserem Bezahldienst Amazon Prime. Es ist also ein Anreiz, in das Amazon-Ökosystem einzusteigen.

Amazon ist bekannt für aggressiven Preiswettbewerb, auch bei Büchern. Macht es Ihnen die deutsche Buchpreisbindung hierzulande schwieriger?

Nein. Es gibt viele Punkte, an denen wir uns beim Kunden hervorheben können. Es ist nicht nur der Preis, sondern auch das Angebot, schneller Versand, Service. Bei uns im Unternehmen gilt das Buchgeschäft in Deutschland sogar als Beispiel dafür, wie wichtig diese anderen Komponenten sein können.

Haben sie manchmal Mitleid mit den Läden, die nicht mit Internet-Händlern mithalten können?

Erstens: Sie werden sich weiterentwickeln, sie werden nicht aufgeben. Wettbewerb löst immer eine Evolution aus. Zweitens ist es einfach unser Job, den Kunden das beste Angebot und den besten Service zu bieten. Die Kunden entscheiden, wo sie kaufen, nicht wir.

Wo kaufen Sie selbst, auch bei Amazon?

Ja, ich und meine Familie sind gute Amazon-Kunden. Die Kartons kommen ständig.

Bei was können Sie noch nicht auf den traditionellen Handel verzichten?

Lebensmittel zum Beispiel. Ich bin der Frühstücks-Koch bei uns zu Hause und ich grille gelegentlich Hamburger am Wochenende, dafür kaufe ich dann im Laden ein. Aber ich bin bei sehr vielen Sachen zu Online-Käufen gewechselt. Ich kaufe inzwischen auch Schuhe im Internet. Wenn sie mir vor fünf Jahren gesagt hätten, wie viele Schuhe Amazon jetzt verkaufen wird, hätte ich sie für verrückt gehalten. Allerdings sind zum Beispiel Baustoffe so ein Bereich, den noch keiner so recht geknackt hat.

Verliert man als Konzernchef nicht den Bezug dazu, was die Kunden wirklich wollen?

Neben Kundenbefragungen profitieren wir davon, dass wir auch selber unsere Dienste und Produkte nutzen. Außerdem müssen alle Top-Manager alle paar Jahre für zwei Tage selbst im Kundendienst arbeiten.

Es kann also passieren, dass man bei einer Amazon-Hotline anruft und Sie sagen: "Hier ist Jeff. Was kann ich für Sie tun?". Was haben Sie dabei gelernt?

Einmal rief eine Kundin an, und die Hotline-Mitarbeiterin neben mir warf nur einen Blick auf ihre Bestellung und flüsterte mir zu: "Der Tisch. Er ist bestimmt zerkratzt." So kam es auch. Sie wusste also aus Erfahrung, dass die Tische ständig zerkratzt bei den Kunden ankamen - und wir haben sie immer weiter verkauft. Danach haben wir den Versandprozess geändert, um sicherzustellen, dass die Tische nicht mehr zerkratzt ankommen.

Sie wollen ein Programm auf die Beine stellen, das eines Tages Flüge in den Weltraum anbietet. Sind diese Weltraum-Aktivitäten ein Hobby für sie?

Es ist ein Geschäft, aber ein sehr langfristiges. Wir sind gerade bei dem dritten Test-Raumfahrzeug und ich hoffe, dass wir schon mit der nächsten Modell-Generation Weltraum-Touristen hochschießen können. Raumfahrt ist meine Leidenschaft, seit ich fünf Jahre alt bin.

Was fasziniert Sie daran?

Wissen Sie, man sucht sich seine Leidenschaften nicht aus. Ich bin begeistert vom Weltall und von Technologie, ich weiß nicht, warum.