Gesetzesänderungen:
Daten-Recht 2017: Vom Wert persönlicher Daten
2017 beraten gleich drei Bundesministerien über neue Gesetze, die im Kartellrecht, im Datenschutz und im Zivilrecht Rechtsunsicherheiten im Umgang mit Daten beseitigen sollen. Sie werfen die Frage auf, welchen Wert personenbezogene Daten haben und wem sie eigentlich gehören.
Die Digitalisierung durchdringt alle Branchen und wandelt Ertragsmodelle grundlegend. Das Geschäft mit Daten könnte bis 2020 in der EU ein Volumen von bis zu 650 Mrd. Euro erreichen, schätzt die Europäische Kommission. Das wären mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Längst geht es nicht mehr nur um personenbezogene Daten, die von Menschen selbst freigegeben werden, wie zum Beispiel Profile in sozialen Netzwerken. Sondern auch um Nutzungsdaten, die Maschinen (wie zum Beispiel das Auto) automatisch registrieren.
Daten verleihen wirtschaftliche Macht. Sie sind die Basis für Werbung, neue Erlösmodelle und die Vernetzung von Produkten. Aber ihr Wert wird bisher juristisch unzureichend abgebildet. Sowohl im Kartellrecht als auch im Datenschutz und im Zivilrecht. Bestehende Rechtsunsicherheiten sollen nun beseitigt werden.
Der Gesetzgeber plant für 2017 eine Reihe von Gesetzesänderungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Die neuen Rechtsgrundlagen bilden die Basis für eine umfassende Vernetzung von Menschen und Maschinen, also den Betrieb des Internets of Things.
Kartellrecht
Was ist ein Markt? Bisher wird Marktmacht monetär gemessen. Dabei ist unstrittig, dass auch Daten Marktmacht verleihen und diese Macht missbraucht werden kann. Wie also werden Daten künftig im Sinne der Bildung von Märkten bewertet?
Die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Novelle) wurde am 28. September 2016 im Kabinett verabschiedet und soll in der ersten Hälfte des Jahres 2017 das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben.
Anfang des Jahres finden die Anhörungen von Sachverständigen im Fachausschuss statt. Federführend ist das Bundeswirtschaftsministerium.
Die Tatsache, dass auch unentgeltlich erbrachte Leistungen, also Daten, in kumulierter Form einen Markt darstellen können, soll in Paragraf 18 des GWB festgeschrieben werden. Damit hätte das Bundeskartellamt eine konkrete Handhabe für Fälle von Marktmissbrauch und Monopolbildung zum Beispiel von Internetplattformen. Kartellrechtsexperten sprechen hier von „zweiseitigen Märkten“.
Wegen des Verdachts auf Marktmissbrauch ermitteln derzeit auch die EU-Kartellwächter gegen Facebook. Auf Arbeitsebene kooperiert die zuständige Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager dazu mit nationalen Behörden, auch mit dem Bundeskartellamt. Ob es in diesem Verfahren 2017 Fortschritte geben wird, ist nicht absehbar.
Das Bundeskartellamt soll im Rahmen der Novellierung des GWB außerdem mehr Befugnisse erhalten. Damit würde die Außenstelle des Wirtschaftsministeriums de facto zu einer Verbraucherschutzbehörde fürs Internet.
Datenschutz
Wie sichert der Gesetzgeber das individuelle Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung? Wie weit schützt der Gesetzgeber den Konsumenten vor dem Zugriffswillen von Unternehmen?
Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist ab 24. Mai 2018 geltendes Recht. Wurden Verstöße bisher mit Bußgeldern von lediglich bis zu 300.000 Euro geahndet, werden nach Artikel 83 dann bis zu vier Prozent des globalen Umsatzes fällig.
Ergänzend zur DSGVO muss das bestehende Bundesdatenschutzgesetz reformiert werden. Dazu erarbeitet das Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Wirtschafts- und dem Justizministerium das Datenschutzanpassungsgesetz, kurz DSAnpG-EU. Es soll bis Juni 2017 – also noch vor Ende der Legislaturperiode – alle Schritte des Gesetzgebungsverfahrens durchlaufen haben. Ein Referentenentwurf ist seit Mitte Dezember öffentlich.
Für Werbungtreibende interessant ist insbesondere der Abschnitt über die Einwilligung in die Preisgabe personenbezogener Daten. Eine Einwilligung muss demnach „freiwillig“ und „informiert“ erfolgen. Was „informiert“ bedeutet, darüber werden sich Juristen noch streiten.
Bisher gilt es als Einwilligung, wenn ein Nutzer die üblicherweise unverständlich und uferlos gestalteten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Internet per Klick akzeptiert. Ob das künftig ausreichen wird, ist fraglich.
Am 10. Januar hat außerdem die EU-Kommission einen Entwurf für die geplante E-Privacy-Verordnung vorgelegt. Sie ergänzt die DSGVO und soll für Anbieter von Telefonie- und Internetdiensten gelten. In Artikel 10 schreibt sie eine sogenannte Privacy-by-Design-Regelung für alle Geräte- und Softwareeinstellungen vor, die Dritte an der weiteren Datenverarbeitung hindert.
Zivilrecht
Gibt es ein Eigentumsrecht an Daten? Wem „gehören“ die Daten: dem Verursacher, also dem Konsumenten – oder dem Schöpfer, sprich: dem Unternehmen, das die Daten erhebt?
Es gibt kein Eigentumsrecht an Daten. Doch die Diskussion darüber, ob das so bleibt, ist höchst umstritten. Der bisherige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger wollte eigentlich Anfang 2017 eine Mitteilung vorlegen, wie die wirtschaftliche Nutzung von Daten ausgestaltet werden kann.
Im Prinzip geht es um die Frage, wem die Daten gehören. Ein Beispiel: Gehören die Nutzungsdaten dem Autofahrer? Oder der Softwarefirma, die die Daten erhebt? Oder dem Autohersteller, der sie aggregiert und nutzt?
Eigentumsfragen sind im Zivilrecht geregelt. In Deutschland also im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach heftiger Kritik von Industrieverbänden war Oettinger von der Idee eines BGB für Daten abgerückt.
Parallel forderten Bürgerinitiativen vor einigen Tagen per Zeitungsanzeigen eine europaweite Charta der digitalen Grundrechte. Aus deutscher Sicht basiert dieser Anspruch auf dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das sich aus Artikel 2 des Grundgesetzes ergibt. Selbst die Vereinten Nationen diskutieren aktuell über eine weltweit einheitliche Fassung digitaler Grundrechte.
Egal, wie diese Diskussionen ausgehen werden: Tatsächlich schaffen die Unternehmen bereits täglich Fakten. Die Wirtschaft wartet nicht auf gesetzliche Rahmenbedingungen.