See Conference:
Die Kreativbranche entdeckt Virtual Reality
Was bedeutet Virtual Reality für Marketing und Medien? Wann geht es richtig los und wie stark wird das unseren Markt verändern? Auf der See Conference von Scholz & Volkmer drehte sich alles um das Digitalthema Nummer 1. W&V-Autor Moritz Meyer war dabei.
Die junge Frau atmet erstmal tief durch, als sie die VR-Brille ablegt. Das klobige Gerät hat sie für einige Minuten vom Wiesbadener "Schlachthof", Schauplatz der See-Conference der Agentur Scholz & Volkmer, in die virtuellen Straßen von Aleppo versetzt. Dort wurde sie Zeugin einer Bombenexplosion, erlebte die Not und Verzweiflung der Helfer in einer Essensausgabestelle und die Überfüllung in einem Flüchtlingslager. Harter Stoff für den ersten Ausflug in die virtuelle Welt. Die Konferenz-Besucherin sieht mitgenommen aus. “Mir ist schon ein wenig schwindelig”, sagt sie; unsicher, ob das eine Folge der ungewohnten Technologie oder der aufwühlenden Erzählung ist, in die sie soeben eingetaucht ist.
Sie ist nicht die einzige, die während der Kreativ-Konferenz ihr erstes Mal mit der Hype-Technologie Virtual Reality erlebt. Am Stand der Emblematic Group, die das oben beschriebene “Project Syria” entwickelt hat, bildet sich im Laufe des Tages eine lange Schlange von Leuten, die endlich mal das ausprobieren wollen, was derzeit die ganze Digitalbranche verrückt macht. Jeder will verstehen, wie die neue Technologie funktioniert, wie sie sich anfühlt und wie man sie kreativ einsetzen kann. Die VR-Diskussion hat die Kreativbranche erreicht, sagt auch Peter Post, Geschäftsführer bei Scholz & Volkmer. Und nun muss sie eine entsprechende Antwort geben: "Wenn wir die gleichen Werbeschilder, die es immer gab, jetzt auch in Virtual Reality aufstellen, wäre das die Bankrotterklärung für unsere Branche."
Kreative Impulse erhofft er sich von Menschen wie Nonny de la Peña, Geschäftsführerin der Emblematic Group. Die renommierte Reporterin und Dokumentarfilmerin gilt als Pionierin auf dem Feld des "Immersive Journalism". Ihr Ziel: Mittels VR das Publikum nicht nur zum Zuschauer machen, sondern mitten rein ins Geschehen versetzen. Nonny de la Peña glaubt, dass Virtual Reality die komplette Wahrnehmung von Medien verändern wird: "Virtual Reality ermöglicht uns im Gegensatz zu Fernsehen ein viel tieferes und intuitiveres Verständnis von dem, was wir sehen", sagt sie im Gespräch mit W&V Online. Dieses Potenzial sehen auch immer mehr Werber.
In den USA sei das Interesse von Werbekunden schon jetzt "massiv", berichtet de la Peña. Die Emblematic Group bekäme "täglich Anfragen" von Marken, die gemeinsam Projekte umsetzen wollen. Werbung und Sponsorendeals bilden eine wichtige Finanzierungsquelle ihres Unternehmens. Was die Technologie so interessant für Werber mache, sei, dass es keine Ablenkung gibt, sagt de la Peña: "Wer eine VR-Brille auf der Nase hat, richtet seine komplette Aufmerksamkeit auf das, was er sieht." Das klingt so, als wäre Virtual Reality für Unternehmen ein Elfmeter, den man nur noch lässig versenken müsse. Doch so einfach ist es nicht.
Noch fehlt es vor allem an Reichweite. Bis jetzt wagen sich Hersteller wie Samsung, Occulus oder HTC noch nicht aus der Deckung mit offiziellen Verkaufszahlen. Prognosen für 2016 sind noch sehr vorsichtig und gehen von etwa zwölf bis 15 Millionen ausgelieferten Geräten aus. Weltweit. Bis 2020 könnte diese Zahl laut Schätzungen auf 200 Millionen Geräte steigen.
Größte Hürde sind derzeit die hohen technischen Anforderungen. High-End-Geräte wie die Occulus Rift erfordern einen Rechner mit extrem leistungsstarker Grafikkarte. Das macht den Markt zur Zeit noch überschaubar. "Wir sind etwa an dem Punkt, an dem Mobiltelefone waren, als sie noch wie Ziegelsteine aussahen", sagt de la Peña. Große Hoffnungen setzt sie auf den Markteintritt von Sony Playstation. Die VR-Brille für die Konsole wird für Oktober erwartet und erreicht potenziell mehr als 35 Millionen Nutzer weltweit. "Damit haben wir auf einmal ein gigantisches Publikum. Das wird einen riesigen Schub für die Branche geben", hofft de la Peña.
Doch Gaming-Anwendungen allein werden nicht für den Durchbruch sorgen, glaubt Scholz & Volkmer-Geschäftsführer Post: "Jede neue Technologie braucht einen Nutzenaspekt. Sonst war es nur Spaß." Er setzt deshalb auf Anwendungen, die serviceorientiert sind. Man habe im eigenen Haus bereits erste Projekte mit Kunden angestoßen. Nutzer können damit ein Auto virtuell testen oder sich die Räumlichkeiten beim neuen Arbeitgeber vorab ansehen. Noch ist das alles im Experimentierstadium. Doch die Entwicklung nimmt Fahrt auf. Die Zeit, in der sich Menschen selbst die Tagesschau in Virtual Reality ansehen werden, ist nicht mehr fern, glaubt de la de la Peña: "Erst kamen Bücher und Zeitungen, dann das Radio und Fernsehen, jetzt das Internet. Virtual Reality wird in dieser Chronologie seinen Platz einnehmen."