Der massenhafte Billig-Content hat die Werbepreise in den Keller rauschen lassen. Die Multi-Channel-Networks haben sich zu Marktplätzen für Influencer entwickelt, die überwiegend kampagnenbasiert arbeiten. Die Produktion richtet sich entweder nach Großereignissen wie Gamescom, Fashion Weeks und Musikfestivals oder den Produktionskalendern der großen Marken. Unabhängige und langfristige Formate werden kaum noch entwickelt. Youtube Red soll das nun ändern.

Die dritte Evolutionsstufe in Sachen Professionalisierung

Der Bezahlservice ist nach dem Partnerprogramm und der "Original-Channel-Initiative" die überfällige dritte Evolutionsstufe der Plattform in Sachen Professionalisierung. Ersteres machte Youtube überhaupt erst zu einem Geschäftsmodell für Videomacher, die von nun an an den Werbeeinnahmen der Plattform beteiligt wurden. Die "Original Channels" brachten dann weltweit große Produzenten und Künstler auf die Plattform, in Deutschland Unternehmen wie Endemol und UFA. Gleichzeitig bekamen aufstrebende Multichannel-Networks wie Mediakraft die Chance, eigene Formate zu entwickeln. Obwohl viele der damals gestarteten Kanäle inzwischen tot sind und Google die investierten Millionen nie wieder sah, war die Initiative ein Erfolg. Die Produktionsqualität auf Youtube stieg dadurch immens an.

9,99 Dollar für ein werbefreies Youtube

Vier Jahre später soll Youtube Red nun einen ähnlichen Effekt bringen. In den USA läuft das Programm bereits. Für 9,99 Dollar im Monat bekommen die Nutzer ein komplett werbefreies Youtube und können Videos unterwegs auch offline gucken. Obendrauf gibt es exklusive "Red Originals". Das sind, ganz nach dem Vorbild von Netflix, eigens für Red produzierte Filme und Serien, die die Zuschauer nur dort sehen können. So produzierte der erfolgreichste Youtuber der Welt, Felix Kjellberg alias PewDiePie, im Auftrag von Youtube die Serie "Scare PewDiePie". Auch andere bekannte Youtuber wie die "Fine Bros" oder die Viralseite "College Humor" haben für Youtube Red eigene Formate entwickelt.

Im kommenden Jahr soll Red in Deutschland starten. Exklusive deutsche Formate sind bereits in Arbeit. Offiziell nennt Youtube noch keine Namen. Doch schaut man auf das US-Vorbild, kann man davon ausgehen, dass Produzenten vom Format Y-Titty, LeFloid oder BullshitTV dabei sein werden. Was auch immer dabei rauskommt: Die Inhalte dürften (und müssen) um einiges hochwertiger sein, als das, was im Moment auf der Startseite landet. Banale Lifehacks, unlustige "Pranks" und DM-Hauls wird man auf Youtube-Red nicht finden. Die Euphorie um das neue Bezahl-Youtube hält sich dennoch in Grenzen.

Die entscheidende Frage: Sind Youtube-Zuschauer bereit zu zahlen?

Szenekenner Robin Blase, auf Youtube bekannt als Rob Bubble, ist skeptisch, ob die jungen Zuschauer mit ihren Stars von einem Gratis- zu einem Bezahl-Youtube mitgehen werden: "Das ist letztlich eine Zielgruppe ohne Zugang zu einer Kreditkarte. Anders als bei Netflix ist die Zahlungsbereitschaft der Youtube-Zuschauer nicht sehr groß." Die bisherigen Erfahrungen mit Youtube Red scheinen diese These zu stützen. Bis jetzt gibt es den Dienst in den USA, Australien, Neuseeland, Mexiko und Südkorea. Zusammen kommen diese Länder auf etwa 250 Millionen Youtube-Nutzer. Von denen haben bis jetzt nur 1,5 Millionen ein Abo bei Red abgeschlossen. Auch wenn Google sich offiziell anders äußert: Diese Zahlen können nicht wirklich den Erwartungen entsprechen. Und lassen für den traditionell erst Recht zahlungsunwilligen deutschen Markt nichts Gutes erwarten.

In Sachen "Qualität" setzt Blase größere Hoffnungen auf Funk, das neue Online-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen: "Die 45 Millionen Euro, die Funk zur Verfügung stehen, sind wahrscheinlich mehr als alle Netzwerke und TV-Sender zusammen in den vergangenen Jahren in Bewegtbild-Inhalte im Netz investiert haben." Seine Einschätzung basiert auf den Erfahrungen, die er mit Formaten von Mediakraft und Studio 71 vor und hinter der Kamera gemacht hat. Aktuell steht er regelmäßig mit den Youtube-Kollegen LeFloid und Frodoapparat für das Funk-Format “1080Nerdscope” vor der Kamera.

So oder so: Sowohl Funk als auch Youtube Red schaffen neue Möglichkeiten für Produzenten, Formate zu entwickeln, die nicht Youtubes auf Clickbait ausgerichteten Algorithmus füttern müssen. Die Hoffnung ist da, dass im kommenden Jahr nicht ausschließlich Hausfriedensbrüche in Schnellrestaurants, mit Schleim gefüllte Badewannen und Amateur-Softpornos die Trends der Plattform bestimmen. 


Autor: Moritz Meyer

Moritz Meyer (Jg. 1981) schreibt hauptsächlich über Online-Video und den digitalen Wandel. Er war schon so häufig im Internet, dass er aus Versehen mal in einem Video von Y-Titty gelandet ist. Wenn er nicht auf Burgen lebt, trifft man ihn meist in Köln. Fun Fact: Liest immer noch Comics von den Teenage Mutant Ninja Turtles.