Was jetzt?

Trotzdem: Viel Spektakel für die Vorstellung einer modernisierten Baureihe. Um zu verstehen, warum Mercedes einen solch großen Aufwand betreibt, muss man sich von altem Denken lösen. Es ist nicht das Aussehen des Wagens, das spektakulär ist. Das Ergebnis, für das Daimler-Designchef Gorden Wagener verantwortlich zeichnet, ist unaufgeregt. Oder, wie Mercedes sagt: Grown up, also erwachsen geworden. Es gehe nicht mehr nur um "dress to impress", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche, sondern um "find your personal way of chic".

Und es ist auch nicht der Antrieb, der einen umwirft.

Liebesbeziehung

Sondern: Es ist die Beziehung zwischen Mensch und Auto, die Mercedes auf eine neue Stufe hebt. Man kann das bejubeln oder skeptisch kommentieren, aber es ist Fakt: Die neue technologische Kommunikationsschnittstelle schafft einen emotionalen Austausch zwischen Fahrer und Auto, wie er bisher nicht möglich war. Mercedes nennt das etwas sperrig MBUX. Eine Abkürzung für Mercedes-Benz User Experience.

"Hey, Mercedes! Tell me a joke!", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der Bühne der Kromhouthal in Amsterdam. "Sorry, my engineers are german", antwortet eine Frauenstimme. Schwaben ohne Humor? "I totally disagree" erwidert Dieter Zetsche in gespielter Entrüstung. Und dann fragt er philosophisch: "Am I arguing with the car?" Spätestens da wird jedem klar: Das Auto wird zu einer menschenähnlichen Begleiterin.

Next Level

Wer jetzt verächtlich mit den Schultern zuckt, weil er weiß, wie beschränkt Sprachsteuerungen im Auto arbeiten, sollte sich die Arbeit von George Massing näher betrachten.

Massing stammt aus Kamerun, kommt aus Frankreich, spricht fließend Deutsch und versteht Schwäbisch. Schließlich arbeitet er in Stuttgart. Massing ist Director of User Interaction der Daimler AG. Die natürliche Sprache, selbst wenn sie dialektal gefärbt ist, in Verbindung mit künstlicher Intelligenz, wird schon in zwei Jahren die bevorzugte Kommunikationsform im Auto sein, prophezeit Massing.

Why AI?

Wofür künstliche Intelligenz? Na, um zu verstehen, was der Mensch meint! "Brauche ich eine Sonnenbrille in Sevilla?" fragt der Fahrer. Das Auto versteht, dass der Fahrer eigentlich nach dem Wetter fragt. "Es wird sonnig sein in Sevilla", antwortet es. Der Mensch muss sich nicht mehr der Maschine anpassen. Das Auto passt sich dem Menschen an. Es versteht immer besser. "Wie ein sehr guter Butler", erklärt Daimler-Vorstand Ola Källenius. Denn das Auto lernt. "Mir ist kalt", sagt der Fahrer. "Temperatur auf 24 Grad erhöhen", versteht das Auto.

Sprachtherapie

Rund zwei Jahre lang haben Georges Massing und sein Team solche Bedeutungszusammenhänge analysiert, gewichtet und in Nuance programmiert. Das ist die Basis für das lernende System, das in der Cloud liegt, aber auch über eine Software im Auto funktioniert, wenn keine Internetverbindung besteht. Hybrides System nennt man das.

Butler

Dieses System erfüllt sogar Wünsche, bevor sie ausgesprochen wurden. Die künstliche Intelligenz kennt schließlich ihren Menschen. Du telefonierst oft dienstags auf dem Heimweg mit deiner Mutter. Okay: Es ist Dienstag und bevor du an Mama gedacht hast, erscheint ihre Telefonnummer auf deinem Display. Oder: Du fährst eine bestimmte Strecke und das System weiß: Du bist bestimmt gerade wieder auf dem Weg ins Fitnessstudio. Auf Basis von Daten des Kartendienstes HERE ahnt die A-Klasse mögliche Ziele voraus. Und macht Vorschläge, welche "Points of Interest" Gefallen finden könnten.

Wirklichere Wirklichkeit

Die Kamera liefert 3D-Grafiken in Echtzeit auf das Display. Auf dem Weg durchs Gassengewirr der Großstadt sieht der Fahrer nicht nur die Straße und die Häuser. Das System blendet die passenden Hausnummern ein. Und Hinweipfeile. Mit anderen Worten: Echtzeit-Kartendarstellung mit Augmented Reality.

Hat man einen Parkplatz gefunden, bleibt die A-Klasse drei Minuten lang wachsam. Sie achtet auf Fahrradfahrer, die eventuell vorbeifahren könnten und warnt den Piloten.

Und das ist nicht nur in Amsterdam nützlich, der Stadt der Fahrräder.


Autor: Rolf Schröter

Rolf Schröter ist Chefredakteur der W&V und interessiert sich nicht nur deshalb prinzipiell für alles Mögliche. Ganz besonders für alles, was mit Design und Auto zu tun hat. Auch, wenn er selbst gar kein Auto besitzt.