Woher kommen die Silent Voters?

Gerade diese Silent Voters sollen laut Wahlanalysten nun auch den Unterschied gemacht haben. Im Rahmen der 45. Präsidentschaftswahl gab es laut Wahlämtern so viele Neuwählerregistrierungen wie nie zuvor. Warum bezieht diese große Wählergruppe in den sozialen Medien Position, nicht aber in Wahlbefragungen? Ein Faktor dürfte soziale Erwünschtheit sein: Wer einen umstrittenen Kandidaten wählt, gibt dies mitunter in Umfragen nicht zu, da er möglicherweise mit Sanktionen seines sozialen Umfelds rechnen muss. In den sozialen Medien hingegen sind User häufig offener, Sanktionen von ihrem realen Umfeld verbinden sie nicht mit ihrem Online-Verhalten.

Bei unentschlossenen Wählern hingegen spielt in der politischen Entscheidungsfindung auch das von ihnen wahrgenommene Meinungsklima eine Rolle. Bei dem sogenannten Bandwaggon-Effekt kann eine sehr aktive kleine Wählerschaft eine große inaktive Gruppierung übertönen und Stimmen auf ihre Seite ziehen. Vereinfacht: Der Kandidat mit dem gefühlt stärksten Zuspruch erhält auch die Stimme. Hier hat Donald Trump nicht nur reale Unterstützer erstaunlich gut aktivieren können, sondern auch programmierte. Von 12,1 Millionen Twitter-Fans erwies sich ein Viertel als Fake-Profile und Bots.

Diese KPIs sagen den Wahlerfolg voraus:

1. Mentions

Die Sichtbarkeit eines Kandidaten in den sozialen Medien steht und fällt mit dem Diskurs über ihn. In Mentions markieren die User einen Kandidaten, stellen Fragen, kritisieren oder sprechen ihre Unterstützung aus. Donald Trump wurde von September 2015 bis zum 6. November 2016 insgesamt 15,6 Millionen Mal erwähnt. Zum Vergleich: Die sieben nach ihm am häufigsten erwähnten Präsidentschaftskandidaten erreichten gemeinsam nur 2,2 Millionen Mentions. Mit Erwähnungen wird zwar nicht automatisch Unterstützung bekundet, aber eine hohe Präsenz in den sozialen Medien erreicht. Es gilt: Schlechte PR ist besser als gar keine PR.

2. Shares

Das Teilen von Beiträgen hingegen lässt sich in den meisten Fällen als Zustimmung zu den politischen Positionen deuten: Per Share verbreiten Unterstützer die Botschaften ihrer Parteien. Je mehr aktive Shares, desto größer die Chance, im sozialen Web Unentschlossene zu überzeugen. Trumps Facebook-Beiträge beispielsweise wurden deutlich häufiger geteilt als die von Mitt Romney, Hillary Clinton oder Präsident Obama. Interessant: Als am 7. Oktober das "Lockerroom-Talk"-Videoband geleakt wurde, teilten Trump-Supporter mehr als 300.000 mal seine Botschaft. Im Schnitt lagen die Shares pro Woche bei 100.000 Beiträgen.

3. Fanlikes

Eine stetig wachsende Fanbase ist die beste Bestätigung für eine erfolgreiche Wahlkampf-Strategie in und außerhalb des Social Web. Politische Auffassungen drücken inzwischen immer mehr User in Form von Fanpage-Likes und Gruppenzugehörigkeiten aus. Trumps Social Campaigning zum Beispiel führte zu einem im letzten Jahr anhaltenden Wachstum der Fanbase des Republikaners. Selbst das Skandal-Video im Oktober führte zu einem plötzlichen Sprung in den Fanzahlen.

Social-Engagement als Vorstufe der Wahlurne

Der Fall Trump belegt: Engagement in den sozialen Medien kann ein Spiegel des Meinungsbildes an der Wahlurne sein. Gerade ein wachsender Kreis unentschlossener Wähler hat Trumps Nachrichten gelesen und so eine Wahlentscheidung getroffen, die die Umfrageinstitute nicht abzubilden vermochten. Auch für die deutsche Bundestagswahl bedeutet das: Wer ein hohes Engagement der Wähler online erreicht, vor allem in Likes und Shares, der hat gute Chancen, die Gruppe der stillen Wähler für sich zu gewinnen.

Nikola Pantovic ist VP DACH, Benelux & CEE bei Socialbakers. Seit 2011 betreute er bei dem tschechischen Anbieter für Social-Media-Analyse und -Optimierung verschiedene Geschäftsbereiche wie die Socialbakers-Partnerprogramme und das Großkundengeschäft und etablierte ein Service-Team. Zuvor arbeitete Pantovic bei McKinsey & Co. Seit Oktober 2016 ist er verantwortlich für die Märkte DACH, Benelux sowie Zentral- und Osteuropa.


Autor: W&V Gastautor:in

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