Tech-Festival South by Southwest (SXSW):
"Watson wärmte mein Herz": Die SXSW-Bilanz von Marc Sasserath
Eigentlich wollte Marc Sasserath in ein Panel über Chatbots - landete dann aber in einer CIA-Session. Solche zufälligen überraschenden Momente machen für den Markenexperten den Reiz des South-by-Southwest-Festivals aus, zu dem jedes Jahr mehr Deutsche hinfliegen.
Bei der South by Southwest (SXSW) ist der "ängstliche Deutsche" inzwischen salonfähig - findet Marc Sasserath. Der Co-Gründer und Geschäftsführer der Agentur Sasserath Munzinger Plus und Executive Chairman von UDG erklärt im Interview mit W&V, warum er in diesem Jahr wieder hingefahren ist und über was er sich mit IBMs Supercomputer Watson unterhalten hat.
Dieses Jahr haben gut tausend deutsche Firmen ihre Mitarbeiter ein Ticket für das South-by-Southwest-Festival gekauft - das sind 200 mehr als letztes Jahr. Und auch Sie sind wieder nach Texas gefahren. Was lernt man dort, was man woanders nicht lernen kann?
Das einzigartige an der South by Southwest ist die ungewöhnliche Kombination: drei Festivals zu Tech, Musik und Film in einem, dazu eine unglaubliche Kombination von kluger und inspirierender Wissensvermittlung, tollen Überraschungsmomenten und teilweise sehr irritierenden aber auch inspirierenden Erlebnissen.
Was meinen Sie damit?
Die SXSW bietet viele zufällig überraschende Entdeckungen: von Food-Erlebnissen bis zum Launch einer neuen chinesischen Automarke. Eine typische Manifestation der Marke SXSW sind sicherlich die Ansteh-Schlangen vor den Panels, die schon ein Erlebnis für sich sind. Dort trifft man Menschen, die man kennt, lernt neue kennen, wird abgewiesen und landet dann auf einmal in einer CIA-Session. Überall offenbart sich der Zufall als Motor. Ich kann speziell bei den Panels unglaublich gut arbeiten, da sie Sprit für mein rhizomorph funktionierendes Hirn sind.
Was waren die größten Trends und Buzzwörter für Sie: Welche haben Bestand und welche sind womöglich nur Eintagsfliegen?
Das große Thema ist natürlich Artificial Intelligence und was wir davon als Menschen haben. Für die Zukunft wird künstliche Intelligenz gepaart mit emotionaler Intelligenz in vielen Bereichen wegweisend sein, zum Beispiel im Hinblick auf die Zukunft der Arbeit - aber sicherlich auch für die Zukunft der Marken.
Welche Sessions und Stände haben Sie besucht, was hat Sie besonders interessiert?
Ich habe mich inspirieren lassen von Themen, die mich interessiert haben wie AI und speziell Chatbots, aber auch Healthtech und intelligente Analytics und dazu kamen immer wieder besondere Momente wie Gaming bei der CIA oder wilde Weltraumfantasien. Und natürlich alles, was man ausprobieren und machen kann.
Auf dem Festival ging es in erstaunlich vielen Panels um Identitäts- und Kontrollverlust - warum ist das Thema bei den Datenfreizügigigen Amerikanern plötzlich so interessant?
Ein spannendes Thema. Lange wurde man als Deutscher bei kritischen Fragen bei mancher Firma im Valley ja fast mitleidsvoll angeschaut: Oh, ein ängstlicher Deutscher! In der Zwischenzeit hat sich jedoch in immer mehr Gesellschaften die Erkenntnis durchgesetzt, dass Datensicherheit ja doch ein Thema ist und dazu tragen sicherlich aktuelle Hackerangriffe und die nicht geklärte Einflussnahme fremder Mächte bei diversen Wahlen bei. Heute ist die Datenhoheit bei einem globalen Oligopol von Google, über Apple und Amazon zu Facebook und Spezialisten wie SAP, IBM und Salesforce sowie einigen chinesischen Unternehmen wie Wechat - die alle über Daten von Milliarden Individuen verfügen.
Das ist ja schon länger bekannt.
Dass diese Daten nicht nur altruistisch genutzt werden, war bereits Thema unzähliger Fantasien, das stimmt. Doch nun erscheinen sie immer plausibler in der Realität: Das Spannungsfeld von intelligenter Technik, die unser Leben bereichert, und der absoluten Verletzbarkeit durch hundertprozentige Transparenz wird uns immer mehr bewegen. Wobei ich persönlich ja an eine Renaissance des freien Willens glaube - und das nicht nur in den USA. In diesem Zusammenhang mutet es fast wie eine Ironie der Jetzt-Zeit an, dass Amazon gerade die erste deutsche selbstproduzierte Serie just zu diesem Thema produziert hat.
Was war Ihr größter Aha-Moment in Texas?
Mein absolutes Traumerlebnis war eine Konversation mit Watson. Der IBM-Computer fragte mich, was ich mit einem 20-Dollar-Schein machen würde, den ich im Park auf dem Boden sehen und ich antwortete sehr wahrhaftig und altruistisch. Darauf Watson: If I had a heart, it would be warmed. Ich habe ein Herz und Watson hat es erwärmt. Ach, und IBM, Watsons Eltern und eine eigentlich fast schon vergessene Marke, habe ich auch wieder ins Herz geschlossen. Das ist AI, die berührt.