Ich starte mal einen weiteren Versuch. Die bisherigen Ansätze, Content Marketing zu definieren und damit von lapidarer Reklame abzugrenzen, fruchten nicht so wirklich. Das liegt vermutlich daran, dass niemand liest, was ein Verband von sich gibt. Anders ist kaum zu erklären, dass Hinz und Kunz heutzutage an fast jede Kampagne das Etikett "Content" drankleben, obwohl es nur Werbekampagnen sind, die - wie seit hundert Jahren üblich - mit Inhalten arbeitet. So kommen wir nicht weiter.

Vielleicht liegt es daran, dass  wir nicht genügend mit Beispielen arbeiten, die veranschaulichen, was genau mit Content gemeint ist. Und wie sich dieser Content sinnvoll und beispielhaft mit einer Marke verbinden lässt, damit sie davon (ja, messbar) profitiert. Wir brauchen vielleicht so etwas wie eine "Hall of Fame".

Haltung ist die Voraussetzung für guten Content

Ihr Ansatz, dass "Haltung" unabdingbar die Voraussetzung bildet für erfolgreiches Content Marketing, hat was. Man kann Haltung gewiss nicht ausschließlich zur Verantwortung ziehen, aber es funktioniert. Ich will das an einem Beispiel vorführen.

Im Augenblicksorgt eine Kampagne von Heineken weltweit für Aufsehen. Die Absatzwirtschaft beschriebt das Experiment wie folgt: "Gesellschaftlich brisante Themen werden heutzutage heiß und hitzig in den sozialen Medien diskutiert. Der Bierbrauer Heineken hat in England einen anderen Weg gefunden und bringt Menschen aus unterschiedlichen Welten in einer Lagerhalle zusammen. Dabei wird es zur Nebensache, dass das Bier eigentlich im Mittelpunkt der Handlung stehen sollte."

Die Kampagne wird bereits als die Kampagne des Jahres gefeiert. Wir sehen sie ganz sicher in Cannes wieder. Besonders daran ist, dass Heineken ein gesellschaftlich relevantes Thema aufgreift, sich zum Inhaber des Contents macht, seine Zielgruppe mit dem Ergebnis positiv überrascht, die Diskussion auf wertvolle Weise bereichert und seine Marke fast nebensächlich aber dennoch gekonnt sichtbar platziert. Heineken beweist mit dieser Kampagne Haltung.

Deutschland, Du kannst es

Der einzige Wermutstropfen: Es ist schon wieder eine ausländische Kampagne, die wir hier feiern. Doch wenn man genau hinsieht, können die deutschen Werber durchaus mithalten.

Jede Hornbach-Kampagne betreibt in meinen Augen Content Marketing. Die Marke nimmt sich immer zurück, um Platz zu machen für inhaltvolle Geschichten rund ums Heimwerken, die den Heimwerker, seine Welt und seine Träume in den Vordergrund stellen. Vor allem: Mit jeder neuen Kampagne beweist Hornbach Haltung. Am besten gelang es vielleicht mit "Gothic Girl". Noch überzeugender mit der "Du lebst. Fühl es"-Kampagne, die verschiedenste Gegenstände tatsächlich erfühlbar machte. Ein ebenso illustres Beispiel ist die Content-Initiative der Sparkassen. Haltung beweisen die Banker damit, weil die Marke zwar erkennbar Absender ist, aber die Absicht im Vordergrund steht, den Kunden gegenüber eine wertvolle Hilfestellung zu leisten. Auf Berentzen und seine "Echtland"-Kampagne sei nur am Rande verwiesen.

Wenn das alles richtig ist, wenn Haltung für Content eine solch immense Bedeutung besitzt, stellt sich nur noch die Frage: Muss jede Marke Haltung beweisen, um sich vom Content-Kuchen eine Scheibe abzuschneiden? Die Antwort ist ein klares Nein. Wenn eine Marke einfach nur in Ruhe verkaufen will, ist das völlig in Ordnung. Denn Verkaufen ist und bleibt der Hauptzweck der Werbung. Daran wird auch Content Marketing nichts ändern.

Premium versus Kauf mich!

Wenn sich eine Marke jedoch einer Sache verschreiben will, die über reines Verkaufen hinaus geht, wenn sie ihrer Zielgruppe eine Botschaft vermitteln will, die über "Kauf mich!" hinausgeht, weil sie glaubt, dass sie damit Menschen stärker an sich binden kann, dann ist Haltung unabdingbar. Sie muss nur echt und ehrlich sein.

Echt und ehrlich sind jedoch die beiden bösen, kleinen Schwestern der Werbung. Nur ein Teil der Marken kann das wirklich für sich beanspruchen. Das hat allerdings zur Folge, dass wir deutlich weniger Kampagnen mit "Content" branden könnten. Das wiederum wäre gut, denn dann erübrigt sich der Streit um die Definition. Und Content wäre so werthaltig, dass immer mehr Unternehmen danach lechzen.


Autor: W&V Gastautor:in

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