W&V sprach mit Frederike Probert über Helikopter-Skiing, Social Freezing und die Hilflosigkeit der Unternehmen:

Business-Netzwerke gibt es schon zahlreiche, auch für Frauen. Warum jetzt Mission Female?

Mag sein, aber wo ist das Davos für Frauen? Ich sehe das Mission Female Netzwerk als Zusammenschluss ausgewählter Top-Frauen, die sich gegenseitig stärken, auch über berufliche Fragestellungen hinaus. Ich habe festgestellt, dass Männer sehr stabil in ihren Netzwerken sind, sehr loyal und oft über lange Jahre gewachsene Beziehungen pflegen. Die bisherigen Frauen-Netzwerke legen meiner Erfahrung nach ihren Schwerpunkt eher auf den Austausch oberflächlicher Informationen, wir wollen aber, dass die Mitglieder untereinander gleichwertige Sparringspartner sind, die sich aktiv gegenseitig unterstützen. Sich gegenseitig coachen und Anregungen geben, wie man mit spezifischen Situationen umgehen kann. Auch mal auf täglicher, intensiver Basis.

Persönliche Treffen sind daneben unabdingbar, aber Frauen brauchen dazu kein Helikopter-Skiing oder eine gemeinsame Gipfelerklimmung am Mount Everst, sondern eine stabile, vertrauensvolle und langfrstige Plattform, eine Home Base. In Hamburg, Berlin, Köln und München hat Mission Female bereits regelmäßige Treffen mit Top-Führungsfrauen gestartet. Zusätzlich sind noch längere, gemeinsame Retreats geplant, also doch ein bisschen Davos.

Was erwarten Sie von ihren Netzwerkerinnen noch? 

Dass sie sich gegenseitig aktiv stärken. Und ein Commitment, in der eigenen Firma Frauen zu fördern, sie für offene Positionen vorzuschlagen und sichtbar zu machen.

Gibt es einen festen Jahresbetrag für die Mitgliedschaft?

Ja und wir legen es den Unternehmen, die wir beraten, ans Herz, ihren Mitarbeiterinnen die Teilnahme an Mission Female zu finanzieren und so in ihre Top Executives zu investieren. Sozusagen als Gesamtpaket.

Was läuft bei Unternehmen schief, die bei Ihnen Beratungsleistungen buchen?

Das Thema Gender Diversity ist definitiv in Unternehmen präsent. Bei vielen spüre ich jedoch eine große Hilflosigkeit, was die praktische Umsetzbarkeit von konkreten Maßnahmen betrifft. Sie wissen nicht, wie Frauen in die obere Management-Ebene gebracht und vor allem auch langfristig gehalten werden können. Der Druck, insbesondere im Digitalumfeld, wird merklich größer. Um dagegen anzugehen, wollen viele zuerst mal mit den Standardmaßnahmen starten: etwa bei der gendergerechten Sprache oder der Beseitigung des Gender-Pay-Gaps, also der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen in vergleichbaren Positionen. Oder Quoten. Aber selbst das fällt ihnen nicht leicht und ist nicht so ohne weiteres umsetzbar. 

Mission Female führt daher Maßnahmen wie Leadership-Workshops, Gender Diversity Trainings, individuelle Employer-Branding-Projekte und auch Events durch, um weibliche Führungskräfte besser zu integrieren, zu vernetzen und sichtbarer machen. Unser Team ist interdisziplinär. Acht Coaches und mehrere Fach-Experten, verstreut über ganz Deutschland, sind zum Start mit dabei. Außerdem stimmt sich Mission Female eng mit Konferenzveranstaltern ab und plant dort Popup-Events. Unsere "Mission Female Lounges" bieten Frauen die Möglichkeit, sich zu treffen und sich nicht mehr so verloren vorzukommen. Gerade in einem männerdominierten Umfeld wie Digital- oder Tech- Konferenzen kann das leicht passieren. 

Oh ja, bei der Sichtbarkeit ist noch viel Luft nach oben, gerade auch auf den Podien.

Das sehe ich auch so. Deswegen setzen wir uns auch dafür ein, Frauen eine größere Bühne zu geben, auch u.a. mit Award-Veranstaltungen. Das Ziel muss es sein, mindestens 50 Prozent weibliche Speaker auf den Bühnen von Konferenzen zu sehen. In Zukunft darf es keine Besonderheit mehr sein, wenn eine Frau Fachbeiträge auf Veranstaltungen hält.

Vielleicht haben Sie mal ein aktuelles Beispiel aus Ihrer Beratungspraxis?

Ich bin gerade dabei, für ein deutsches Unternehmen ein Social-Freezing-Projekt zu konzipieren. Bisher kennen wir das eher von US-Firmen wie Facebook und Apple. Kolleginnen können ihre Eizellen einfrieren lassen, um sie sich dann zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen zu lassen und so mehr Spielraum für ihre Familien- und Lebensplanung zu bekommen. Pro Frau kostet das rund 8.000 Euro. Innovative Unternehmen, die über das Standardpaket im Bereich Gender Diversity hinausgehen, sehen diesen Betrag als sinnvolle und notwendige, wenn auch selbstverständlich optionale Investition für Führungsfrauen.

Das ist sicher nicht für jede Firma geeignet. Aber was haben Sie denn noch im Angebot.

Zum Beispiel Workshops zum "Male-Executive"-Verhalten, um die Mechanismen zu erkennen, zu verstehen und dem neue Verhaltensmuster entgegenzusetzen. Oder wir laden Referenten ein, die dann auch mal erzählen, was sie sich von weiblichen Führungskräften wünschen, was ihnen gefällt und was sie befremdet. Die #metoo Kampagne zum Beispiel, so beeindruckend und richtungsweisend sie auch war, schüchtert heute viele Männer im natürlichen Verhalten mit weiblichen Kolleginnen ein. Wir zeigen, wie Männer und Frauen im Top Management unverkrampft und erfolgreich zusammenarbeiten können.

Und wann ist Ihre Arbeit abgeschlossen?

Wir verbessern solange, bis alle - Chefs und Belegschaft - zufrieden sind. Es geht ums langfristige Umsetzen, nicht ums Reden. Oft fangen wir mit dem Erstellen eines Diversity Index an. An ihm lässt sich nicht nur ablesen, wie das eigene Unternehmen dasteht, sondern auch welche Verbesserungen im Zeitablauf erreicht werden. Wir begleiten Unternehmen auf dem Weg zur absoluten geschlechtlichen Gleichberechtigung bis der Index im Branchenvergleich stimmt.


Annette Mattgey, Redakteurin
Autor: Annette Mattgey

Seit 2000 im Verlag, ist Annette Mattgey (fast) nichts fremd aus der Marketing- und Online-Ecke. Als Head of Current Content sorgt sie für aktuelle Geschichten, Kommentare und Kampagnen auf wuv.de. Außerdem verantwortet sie das Themengebiet People & Skills.