Auch Lars, 24, Junior Art Director in einer großen Network-Agentur, weiß, dass er für seinen Job mehr leistet, als sich in seinem Gehalt widerspiegelt. Schon einen Gesprächstermin zu finden ist nicht leicht. Ein erster Versuch, ihn abends daheim zu erreichen scheitert. Erst nach 21 Uhr nimmt er ab. Überstunden. "Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, lange zu arbeiten", sagt er. Er weiß, dass nach einer anstrengenden Phase wieder ruhigere Zeiten kommen. Theoretisch. Denn die letzte schwierige Phase dauerte so lange, dass er körperlich und mental am Ende war. "Ich würde niemandem raten, in die Werbung zu gehen", sagt er. Trotzdem ist die Werbung sein Ding, hier wollte er hin und hat hart dafür gearbeitet, dass er jetzt ein gutes Standing in der Agentur hat. Wenn er dann voller Stolz seine Kampagne sieht, wenn er auf einen Dreh oder zu einem Shooting fährt, genießt er die schönen Seiten seines Jobs.

Doch das Privatleben leidet. Die meisten sozialen Kontakte hat der 24-Jährige innerhalb der Agentur. Dort arbeiten viele junge Kollegen, "die Atmosphäre ist einzigartig". Was aber passiert, wenn man zehn, 15 Jahre älter ist? Eine Familie will? "Da habe ich auch noch keine Antwort gefunden." Vielleicht macht er sich dann selbstständig. 

Von unzufriedenen Mitarbeitern profitieren Unternehmen wie Poachee. Auf der Plattform können sich sogenannte passive Jobsucher registrieren, also Arbeitnehmer, die wechselwillig sind, aber nicht gezielt nach neuen Jobs suchen wollen. Unternehmen können dort nach neuem Personal suchen und zahlen dafür eine Gebühr. Das Portal hat bereits viele Profile aus der Webe- und Medienbranche, bestätigt  Florian Röllig, Gründer und Geschäftsführer, gegenüber W&V Online. "Der Großteil dieser Profile sind - im Gegensatz zu unserem übrigen Datenbestand- eher jüngere Personen mit zwei bis sechs Jahren Berufserfahrung. Geographisch stammen die Profile vorrangig aus Metropolen wie Berlin, Hamburg, Köln oder München."

Aber es gibt auch in der Werbebranche die überzeugten, zufriedenen Mitarbeiter. Lara etwa hat als Etatdirektorin einer großen Agentur schon einige Stufen der Karriereleiter erklommen und bezeichnet sich selbst als sehr ehrgeizig. Was sie anstrebt, ist ein Posten in der Geschäftsführung. In der Agenturbranche alt zu werden kann sie sich so einerseits sehr gut vorstellen, ist aber andererseits zwiegespalten, wenn sie daran denkt, wie sich das später einmal mit einer Familie vereinbaren ließe. "Wie das mal sein soll, weiß ich noch nicht." Also lieber nicht so genau darüber nachdenken. Sie liebt ihren Job und hat kein Problem mit langen Arbeitszeiten. Auch bei ihr wechseln sich die anstrengenden Phasen mit den ruhigeren ab. Wenn es gerade schwierig ist, kann sie damit rechnen, dass es bald wieder besser wird. "Werbung ist kein Finanzamt, man muss schon stressresistent sein."

Und man muss bereit sein, erst einmal für wenig Geld viel zu arbeiten. Ob man das ist, hat sicherlich auch mit dem Team zu tun, mit dem man arbeitet. Ein gutes Umfeld kann viel auffangen. Ein gesundes Selbstwertgefühl kann helfen. Ein Kommentator schrieb unter dem Artikel "Agentur Nachwuchs: Das Problem mit der 70-Stunden-Woche": "Inzwischen gehe ich nach spätestens neun Stunden aus dem Büro. Egal, ob Dinge fertig sind oder nicht. Das mache ich seit vier Monaten so und siehe da: Jeder akzeptiert es, jeder weiß es und keiner stellt mir mehr Meetings nach 17 Uhr ein."

*alle Namen von der Redaktion geändert


Franziska Mozart
Autor: Franziska Mozart

Sie arbeitet als freie Journalistin für die W&V. Sie hat hier angefangen im Digital-Ressort, als es so etwas noch gab, weil Digital eigenständig gedacht wurde. Heute, wo irgendwie jedes Thema eine digitale Komponente hat, interessiert sie sich für neue Technologien und wie diese in ein Gesamtkonzept passen.