Nach der Metoo-Debatte:
Verbände und Sender starten Anlaufstelle gegen sexuelle Belästigung
Die Film- und Medienbranche will aus der Metoo-Debatte lernen und hat daher eine Vertrauensstelle eingerichtet, die sich um von sexueller Gewalt Betroffene kümmern soll.
Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und 15 Branchenverbände haben eine Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt gegründet. "Es war und ist mir ein wichtiges politisches und menschliches Anliegen, angesichts sexueller Belästigungen, Demütigungen und Gewalt in der Filmbranche, aber auch in anderen Kultursparten eine Anlaufstelle mit zu initiieren, an die Betroffene sich vertrauensvoll wenden können", sagte die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters. "Ich begrüße es, dass es gelungen ist, so viele Partner ins Boot zu holen, die dieses Projekt jetzt gemeinsam verwirklichen. Die Zeit des Schweigens muss vorbei sein."
"Jetzt gilt es die Idee eines Kulturwandels hin zu einem belästigungs- und gewaltfreien Arbeiten in die Tat umzusetzen. Diese Aufgabe wird nur mit viel Engagement und einem langen Atem umzusetzen sein", sagen Barbara Rohm, Pro Quote Film Vorstand, und Heide Schwochow, Vorstand Deutsche Filmakademie. "In mehreren Veranstaltungen der Deutschen Filmakademie ist immer wieder zum Ausdruck gekommen, dass sich die Branche sowohl eine juristische Einordnung von Fällen sexueller Belästigung und Gewalt wünscht, als auch eine psychologische Erstbetreuung. Das ist das Wunderbare an der Vertrauensstelle: Sie wird Problemlösungen und aktive Unterstützung für Betroffene anbieten und - nicht zuletzt - Machtmissbrauch immer wieder thematisieren, um ein angstfreies Arbeitsklima zu ermöglichen."
Ulrich Wilhelm, Vorsitzender der ARD, Annette Kümmel, TV-Vorstand VAUNET, und Thomas Bellut, Intendant des ZDF, für die beteiligten Sender begrüßen die neue Vertrauensstelle: "Neben den eigenen Anlaufstellen, Ombudspersonen und Beratungsangeboten in den Rundfunkanstalten wird diese branchenübergreifende Vertrauensstelle Betroffenen aus der gesamten Kreativwirtschaft eine weitere Möglichkeit bieten, ihre Anliegen in geschütztem Rahmen zu thematisieren."
Grütters steuert in der Aufbauphase für den Trägerverein 100.000 Euro bei, die ARD 40.000 Euro und das ZDF 15.000 Euro pro Jahr. Der Deutsche Bühnenverein beteiligt sich ebenfalls mit 15 000 Euro jährlich, der Verband Privater Medien mit weiteren 15.000 und die Deutsche Produzentenallianz mit 10.000 Euro.
Die Vertrauensstelle richtet sich an Betroffene sexueller Belästigung und Gewalt und ist zunächst auf den Film-, Fernseh-, Theater- und Orchesterbereich beschränkt, kann aber durch Beteiligung weiterer UnterstützerInnen und entsprechender BranchenvertreterInnen auf die gesamte Medienbranche, den Musikbereich und andere Kulturzweige ausgeweitet werden. Neben der Entgegennahme und Prüfung von Beschwerden und der Unterstützung Betroffener stehen die Aufarbeitung und Prävention sexueller Belästigung und Gewalt im Mittelpunkt.
In den vergangenen Monaten waren in der MeToo-Debatte gerade in der Medienbranche mehrere Fälle sexueller Übergriffe bekannt geworden. In Deutschland geriet Regisseur Dieter Wedel unter Verdacht - er erklärte mehrfach, er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Der Westdeutsche Rundfunk trennte sich jüngst von einem Fernsehkorrespondenten, dem sexuelle Übergriffe zur Last gelegt werden. Der jetzige Intendant Tom Buhrow bekannte, dass sein Sender in der Vergangenheit Fehler im Umgang mit Betroffenen gemacht habe.
Der WDR ist jedoch keinesfalls der einzige Sender, bei dem Fälle sexueller Belästigung bekannt geworden sind. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Branchenmagazins "Journalist". Bei SR, SWR, BR und dem ZDF gab es in den vergangenen Jahren jeweils "wenige Fälle", so die Auskunft der Sender. ProSiebenSat.1 gibt an: "Wir hatten einen Fall in der jüngeren Vergangenheit, der auch sofort entsprechend sanktioniert wurde." Dabei zeigt sich: Die Mehrheit der Sender hat aus der #MeToo-Debatte gelernt und geht das Thema intensiv und auf vielen Ebenen an.
Jan Metzger, Intendant von Radio Bremen, sagt: "Eine Lehre, die wir aus den Erfahrungen des WDR gezogen haben, ist, dass wir die Möglichkeiten externer Beschwerden erweitern." Auch andere Sender haben ähnliche Anlaufstellen, etwa externe Ombudsleute, eingerichtet oder planen dieses.
am/mit dpa