(Junior) Digital Media Manager (m/w/d)

Mit ungewöhnlichen Maßnahmen versucht Air Berlin einen riesigen Rückstau an Kundenbeschwerden abzuarbeiten. Trotz Kundengroll: Am Service soll dennoch weiter gespart werden.
Text: Frauke Schobelt
6. August 2013
Das Social-Media-Team von Air Berlin hat alle Hände voll zu tun, denn auf der Facebook-Seite der Airline machen viele Kunden ihrem Ärger Luft: Von verloren gegangenem oder beschädigtem Gepäck ist die Rede, von Telefonnummern, die wochenlang nicht erreichbar sind, von einem rüden Umgangston im Kundencenter. Das Unternehmen antwortet, beruhigt, beschwichtigt, verweist auf Service Desks am Flughafen, weitere Telefonnummern oder bittet um Vorgangsnummern. So weit, so vorbildlich. Eigentlich.
Doch offenbar hat die angeschlagene Fluglinie ein massives Problem bei der Abarbeitung von Kundenanfragen. Nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" sitzt sie auf einem Berg von 30.000 ungelösten Beschwerden. Zum Teil müssten die Kunden acht Monate auf eine Bearbeitung warten, manche Fälle würden gar nicht beantwortet und geschlossen. Das bestreitet Air Berlin in einer Stellungnahme jedoch. Zum Vergleich: Die Lufthansa benötige im Schnitt sechs Tage, um eine Beschwerde zu beantworten, so ein Konzernsprecher gegenüber der "Welt".
Knapp 80 Mitarbeiter arbeiten in der Kundenservice-Abteilung von Air Berlin. Um nur die aufgelaufenen Beschwerden abzuarbeiten, müssten sie sich zwei Monate lang nur damit beschäftigen. Doch täglich kommen neue Kundenbelange dazu, so dass der Rückstau nicht schmilzt. Um diesen Stau - einen sogenannten "Backlog" abbauen zu können - greift die Airline inzwischen zu fast verzweifelten Mitteln. Sie bündelt Tausende Einzelbeschwerden mit ähnlichen Problemen wie "Gepäck" oder "Verspätung" in Sammel-E-Mails und unterbreitet den Kunden ein pauschales Entschädigungsangebot. 5000 Fluggäste mit Gepäckproblemen konnten etwa pauschal zwischen 75 Euro Bargeld, einem 120 Euro Fluggutschein oder 10.000 Prämienmeilen wählen.
Offenbar hat die Airline damit Erfolg, denn im Herbst betrug der Rückstau noch 65.000 Beschwerden. Andererseits kostet dieses Verfahren viel Geld: Laut Informationen der "Welt" summierten sich die Kosten für die pauschalen Entschädigungen auf mindestens 750.000 Euro. Außerdem sind nicht alle Kunden glücklich damit - manche drohten mit rechtlichen Schritten, rund die Hälfte der Adressaten lehnte das Angebot ab.
Die Gründe für den enormen Rückstau sind nicht ganz klar, denn Air Berlin wollte sich dazu gegenüber dem Blatt nicht äußern. Von Problemen mit Software ist in der Branche die Rede, die zu erheblichen Buchungsfehlern und damit verstärkten Kundenbeschwerden geführt hatte. Die Probleme bei Air Berlin thematisierte auch eine Sendung von "Servicezeit" im WDR. Darin ist von einem geschrumpften Kundenservice die Rede.
Auch wenn der Rückstau schmilzt, leichter wird es für die Kundenservice-Mitarbeiter in Zukunft nicht, denn aus Kostengründen plant die Fluglinie offenbar weiter radikale Einschnitte in dem Bereich. Laut Informationen der "Welt" will sie ihre Tochter Service Center KG zum 1. Oktober 2013 an die Bertelsmann-Tochter Arvato übergeben - mit deutlichen Lohneinbußen. 220 Mitarbeiter sind davon betroffen.
Die Maßnahmen sind Teil eines radikalen Sparprogramms des neuen Vorstandschefs Wolfgang Prock-Schauer. Bis Ende 2014 will der Österreicher insgesamt 400 Millionen Euro an Kosten sparen. Dabei muss die Fluglinie einen fast unmöglichen Spagat meistern: Denn wenn am Kundenservice gespart wird, besteht die große Gefahr, Kunden dauerhaft zu verprellen. Kunden, die die Airline dringend benötigt.