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Seit dem Erfolg von Borussia Dortmund sowohl auf dem Rasen als auch mit seiner Markenbildung "Echte Liebe" ist das Thema Markenführung zu einem viel diskutierten Thema im deutschen Profifußball geworden. Für Roland Albrecht von der Markenagentur Goya zeigt der BVB im Umgang mit der derzeitigen Krise, wie sehr er das Prinzip Marke verinnerlicht hat.
Text: W&V Gastautor
25. Februar 2015
Seit dem Erfolg von Borussia Dortmund sowohl auf dem Rasen in den letzten Jahren als auch mit seiner Markenbildung "Echte Liebe" ist das Thema Markenführung zu einem viel diskutierten Thema im deutschen Profifußball geworden. Doch erst im Umgang mit der derzeitigen Krise zeigt der BVB, wie sehr er das Prinzip Marke verinnerlicht hat. Für Roland Albrecht*, Geschäftsführender Gesellschafter der Markenagentur Goya, ist das Verhalten des Clubs der Lackmustest, der das Markenverständnis der Branche nachhaltig verändern könnte.
Nahezu jeder Marketingverantwortliche eines Bundesligaklubs hat sich in den letzten zwei Jahren die Frage gestellt: "Wie viel Marke brauchen wir?", beziehungsweise: "Wie muss ich eigentlich meine Marke führen?"
Borussia Dortmund, das kann man heute feststellen, ist in vielerlei Hinsicht die Benchmark beim Thema Markenführung im deutschen Fußball. Die Verantwortlichen beim BVB haben verstanden, dass Marke mehr ist als ein reines Marketingtool. Dass es bei Marke um mehr geht als um Werbung und Merchandising. Dass Marke vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz ist, der alle Bereiche eines Fußballklubs erfasst. Dass es sich de facto bei einer Marke um eine Unternehmensstrategie handelt, die konsequenterweise auch in den sportlichen Bereich hinein strahlt.
Sehr schön sichtbar wird dieses umfassende Markendenken in Dortmund im Umgang mit der Causa Jürgen Klopp. Ich behaupte, dass von den 36 Clubs der 1. und 2. Bundesliga 35 Clubs in der verfahrenen sportlichen Situation der letzten Monate den Trainer entlassen hätten – spätestens nach dem verlorenen Spiel gegen Augsburg, wo die Mannschaft desolat gespielt hatte und die Fans zum ersten Mal lautstark ihren Unmut über die Mannschaft äußerten.
Man kennt ja nach so einem Spiel die branchenüblichen Begründungen à la "Wir mussten jetzt einen neuen Impuls setzen" oder "Der Druck der Öffentlichkeit war am Ende zu groß". Dortmund hat es bemerkenswerter Weise nicht getan – und das hat auch viel mit der eingeleiteten Markenbildung bei Borussia Dortmund und damit zu tun, wie man Marke in Dortmund versteht.
So sagt Spieler Marco Reus in seinem aktuellen Interview im "Kicker": "Die Ruhe, die der BVB in der Krise nach innen und außen ausgestrahlt hat, zeigt die Stärke dieses Klubs. Hier ist niemand umhergeirrt und hat Aussagen getätigt, die in die falsche Richtung weisen." Diese innere Ruhe, diese gezeigte Stärke, dieses Wissen um die Richtung basiert auf der Marke Borussia Dortmund. Denn es ist die Marke, die einem Klub sagt, wer man ist, wo man steht und wohin man will. Sie schafft es, dass ein Klub im konzeptionellen Gleichschritt marschiert.
Die Bildung einer Marke ist ein langfristiger, letztlich sogar ein unendlicher Prozess. Der Markenerfolg hängt vor allem davon ab, dass man alle strategischen wie operativen, alle sportlichen wie nicht-sportlichen Entscheidungen daran misst, ob sie auf die Marke einzahlen, beziehungsweise die Marke beschädigen. An dieser Stelle kommen nun die berühmten, aber zu selten wirklich gelebten Markenwerte ins Spiel. Marken definierten sich in erster Linie über ihren Markenkern und ihre Werte, also dem Markenleitbild. Gute Markenführung ist daher immer werte-orientiertes Denken und Handeln.
Und das heißt: Meine Werte sind mein Kompass. Sie geben mir Orientierung und Halt für mein Denken und Tun. Sie geben mir Nachhaltigkeit. Werte-orientiertes Management ist das Gegenteil von willkürlich und beliebig anmutenden beziehungsweise kurzfristig gedachten Entscheidungen, wie man sie in den letzten Jahren zum Beispiel in Stuttgart, Hamburg und Berlin beobachten musste.
Man fragt sich als Fußballfan schon lange, wofür diese drei genannten Vereine eigentlich heute noch stehen. Für welche Werte und für welche Haltung stehen denn der VfB, der HSV und die Hertha? Alle diese drei Clubs sind übrigens heiße Abstiegskandidaten und das ist das Ergebnis einer einzigen konzeptionellen Orientierungslosigkeit.
Klopp wurde deshalb nicht entlassen, weil er weiterhin glaubwürdig für die Werte "Intensität, Echtheit, Bindungskraft und Ambition" von Borussia Dortmund steht. Und das wiederum ist für den BVB relevant, denn diese Werte sind der Kompass des BVB. Watzke und sein Team handeln heute intuitiv aus der Marke Borussia Dortmund heraus. Aus einer Marke, die für eine klare Bedeutung steht. Und der sportliche Aufschwung gibt ihnen Recht.
Spannend bleibt zu beobachten, welche Konsequenzen die Entwicklung in Dortmund für die Branche hat. Kann der BVB den derzeitigen Trend fortsetzen, können sich Hans-Joachim Watzke und Co. auf die Fahne schreiben, das Prinzip Marke im deutschen Profifußball nachhaltig verankert zu haben. Mit weitreichenden Folgen für den deutschen Profifußball im Sinne von: Vereine werden ihre Marke nicht mehr nur als Leitfaden für die Marketing-Aktivitäten betrachten, sondern als die Seele ihres Vereins, als übergreifenden Leitfaden für das gesamte Handeln des Clubs.
Durch das Festhalten an Jürgen Klopp hat der BVB demonstriert, dass bei konsequenter Markenführung auch die Personalpolitik eines Bundesligaklubs aus der Marke gedacht wird – und dass "Echte Liebe" mehr als ein netter Werbeslogan ist.
*Roland Albrecht: Geschäftsführender Gesellschafter von Goya. Die Agentur kümmert sich beispielsweise um den Markenauftritt des Bundesligisten Hannover 96. Bevor sich Albrecht im Jahr 2005 selbstständig gemacht hat, war er unter anderem bei der Boston Consulting Group, Serviceplan, Lintas, Euro RSCG, Grey und BBD0 im In- und Ausland tätig. Er hat Volkswirtschaftslehre und Geschichtswissenschaften in München, Berlin und Oxford studiert. Mittlerweile ist Albrecht Dozent im Lehrbereich Marketing, Marke und Medien in Karlsruhe, Mannheim, Frankfurt und Heidenheim.