Cover-Kritik unter Kollegen:
Dominik Wichmann und das "Spiegel"-Bashing
Am Wochenende war Hamburg Schauplatz des G20-Gipfels und extremistischer Gewalt. Während der "Spiegel" mit einem Ernährungstitel am Kiosk lag.
Die Titelgestaltung des "Spiegel" stieß dem Blattmacher Dominik Wichmann derart auf, dass er sich auf Facebook echauffierte. Tenor: Über Auflagenschwund brauche man sich im Hause Spiegel nicht wundern, wenn man sich angesichts G20 vor der Haustür für Ernährungskult als Titelthema entscheide. Um das auszudrücken, braucht der ehemalige Chefredakteur des "Stern", der heute Corporate Publishing für Mercedes-Benz macht, nur einen Satz, strukturiert durch einen Doppelpunkt - der Satz geht über 12 Zeilen.
Auslöser für munteres "Spiegel"-Bashing - es treten aber auch Verteidiger auf den Plan.
Wichmann bekommt viel Zuspruch und reichlich Reaktionen, darunter von Blattmacher-Kollegen wie Verlegersohn Konstantin Neven Dumont, Beate Wedekind, einst Chefin von "Bunte" und später "Gala", heute Kolumnistin unter anderem beim "European", und Jörg Quoos, der von "Bild" zu "Focus" und von dort zu Funke wechselte. Dort leitet er nun als Chefredakteur die Zentralredaktion Berlin, die Funke-Blätter wie "Berliner Morgenpost" und "Hamburger Abendblatt" füllt.
Quoos nutzt den "Spiegel"-Aufreger für Eigenwerbung - die sich teils als Bumerang entpuppt:
Wedekind postet lediglich die Erklärung der stellvertretenden "Spiegel"-Chefredakteurin Susanne Beyer - die sie "langatmig" findet. Neven DuMont outet sich darunter als "Spiegel"-Verweigerer und Abonnent des "Manager Magazin".
Wichmann präzisiert später seine Kritik. Lässt sich sein erster Kommentar ("dass wir als ein in Hamburg produziertes Nachrichtenmagazin an dem Wochenende, an dem sich vor unserer Redaktion die Bedeutung von Politik und Gesellschaft in seiner krassesten und erklärungsbedürftigsten Form entfaltete, dieses Titelthema als das wichtigste Titelthema dieses Wochenendes erachtet haben") noch so auslegen, dass Wichmann die aktuelle Berichterstattung zu Gipfel und Krawallen fehle - was, wie er als Blattmacher weiß, natürlich ein Print-Wochentitel in der Form nicht leisten kann - erläutert er einige Stunden später: "Von einer Forderung, das gestern Geschehene heute abzubilden, war auch nie die Rede. Von der Erwartung, einen Titel zu setzen, der mit dem allgegenwärtigen Themenspektrum dieses Wochenende auch nur ansatzweise etwas zu tun hat, sehr wohl." Wichmann hätte sich für Trudeau als Titelmotiv entschieden, schreibt er. Ein Interview mit dem kanadischen Premier ist ebenso wie weitere G20-Themen in der "Spiegel" Ausgabe vom 8. Juli enthalten.
Der frühere G+J-Manager und Digitaler Oliver von Wersch schreibt, Nachrichtenmagazine "braucht doch langfristig niemand mehr". Und weist auf die Bedeutung der digitalen Kanäle hin.
Mit dem "Spiegel"-Chef vom Dienst Janko Tietz diskutiert Wichmann daraufhin via Facebook über die digitale und analoge Relevanz der Marke "Spiegel". Tietz weist einen Widerspruch in Wichmanns Argumenten nach.
Interessant ist auch, was der "Spiegel"-Kritiker nicht erwähnt: die Titel der weiteren Nachrichtenmagazine beziehungsweise des aktuellen Magazins "Stern" (erschienen am 6. Juli). Keines der beiden Hefte hob den Hamburger Gipfel aufs aktuelle Cover. Der "Stern" hatte sich schon in der Woche davor um das Thema "Festung Hamburg" gekümmert, der "Spiegel" die Ausgaben 27 und 25 dem G20 gewidmet. Und nach den Ereignissen des vergangenen Wochenendes wird das Thema die Magazine wohl auch diese Woche beschäftigen.