Messung der Fernsehquoten:
Ex-RTL-Chef Thoma nennt AGF-Quoten "ungenau"
Der "TV-Weise" Helmut Thoma wirft ein, dass die täglichen Fernsehquoten die Wirklichkeit nicht wiedergeben würden.
TV-Pionier Helmut Thoma ist dafür bekannt, dass er nach seiner Zeit an der Spitze von RTL immer wieder gern austeilt. Jetzt stellt der 74-Jährige die Messung der Fernsehquoten in Deutschland Frage – sie sei nach seiner Meinung recht ungenau. "Einschaltquoten sind imaginäre Werte, sie bleiben eine Schätzung", sagt der Ex-RTL-Lenker der Nachrichtenagentur "dpa". Thoma: "Wie hoch die Abweichungen von der Realität sind, das kann niemand sagen, denn es gibt keine sichere Überprüfung." Und: "Wie viele Unwägbarkeiten gibt es da, zu ermitteln, wer wann wie und wo welches Programm schaut, das bezogen auf die Bundesländer und auf Altersgruppen", so Thoma weiter. "Das funktioniert nur, weil sich sämtliche Beteiligten, die Sender und die Werbeindustrie, sozusagen auf eine gemeinsame Währung geeinigt haben." Besonders heikel sei das für die kleinen Sender, die im einstelligen Prozentbereich festgelegt seien: "Da wird es schon absurd."
Thoma selbst ist einer der Gründungsväter der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), der die großen TV-Sender angehören. Anhand von mehr als 5000 Test-Haushalten im AGF-Panel wird dort das Fernsehverhalten von rund 38 Millionen Haushalten in Deutschland hoch gerechnet. "Wir streiten hier herum wie bei einem Besiedlungsplan für eine Fata Morgana", hat Thoma bereits früher über das AGF-System gesagt. Die AGF lässt sich von Thomas Meinung nicht beeindrucken. Der Sprecher der technischen Kommission, RTL-Medienforscher Matthias Wagner, ist von der Genauigkeit der Messung überzeugt und hält dagegen: "Im internationalen Vergleich ist sie auf einem Highend-Level."
Das sieht man aktuell am Beispiel der Schweiz: Dort hat jetzt die Diskussion um ein neues Messverfahren der TV-Quoten sogar zu einem Verbot der Veröffentlichung der Ergebnisse geführt. Das dortige Fernsehforschungsunternehmen Mediapulse, das in der Schweiz die Daten erhebt, hat sein Messverfahren Anfang des Jahres umgestellt - "anfangs mit dem Ergebnis, dass das Durchschnittsalter des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens sich um zehn Jahre verjüngte, während das Schweizer Fenster von ProSieben beispielsweise plötzlich ein Publikum hatte, dessen Durchschnittsalter massiv älter war", wie Dominik Kaiser der "dpa" sagt. Kaiser ist Gründer und Geschäftsführer des eidgenössischen Privatsenders 3+ - und er kennt das deutsche System, hat er doch einst als Senderchef von Viva gewirkt. Kaiser hat gegen die neuen Schweizer TV-Zahlen geklagt und am Obergericht Niwalden ein "superprovisorisches" Verbot erwirkt: Zurzeit dürfen per Gerichtsbeschluss in der Alpenrepublik keine Fernsehdaten veröffentlicht werden. "Wir wünschen uns Transparenz, dass alle offensichtlichen Fehler rückwirkend korrigiert werden, einen Test im laufenden Betrieb und zumindest ein System wie in Deutschland, wo sich alle Marktteilnehmer auf ein System geeinigt haben", sagt der Schweizer Senderchef. Die deutsche AGF hat sich also doch bewährt.
dpa/ps