Julia Jäkel:
"Facebook dreht dem Journalismus den Geldhahn zu"
Die Chefin von Gruner + Jahr wendet sich in einem "FAZ"-Essay an Facebook: Partnerschaft mit den Verlagen heißt auch Verantwortung. Sie beklagt "galloppierend asymmetrische Verhältnisse".
Zwei Drittel Seiten hat das "FAZ"-Feuilleton für einen ungewöhnlichen Dienstagaufmacher freigeschaufelt. An diesem Tag geht es nicht um Hochkulturelles, sondern eher um banales Tagegeschäft, um das Nachrichtenmachen und um den nackten Überlebenskampf der Verlage gegenüber Facebook und Google. Julia Jäkel, Chefin bei Gruner + Jahr, findet in ihrem ausführlichen Essay deutliche Worte gegenüber Facebook. Es könne "irgendetwas nicht stimmen" mit Mark Zuckerbergs Facebook. Denn auf der einen Seite erbitte Facebook von den Verlagen mannstarke redaktionelle Unterstützung bei der Bekämpfung von Fake-News und auf der anderen Seite warne Zuckerberg implizit vor der Presse und vertraue seinen Algorithmen. Kürzlich hatte Mark Zuckerberg in einem längeren Brief an die Community versöhnliche Töne in der Fake-News-Debatte angeschlagen. Doch gerade dieser Artikel hat offenbar bei Jäkel Alarmbereitschaft ausgelöst.
Mit Jäkels Beitrag wehrt sich quasi die alte Verlegerwelt gegen Facebooks Maschinerie. Der Feind ist aber in Jäkels Augen offenbar nicht Zuckerberg oder das Netzwerk selbst, sondern dessen Algorithmus, der Filterblasen erzeugt. Jäkel warnt davor, dass die Gemeinschaft von 1,9 Milliarden Facebook-Mitgliedern bald schon die Größe von anderen Glaubensgemeinschaften erreicht hat (dem Islam gehören 1,6 Milliarden, dem Christentum 2,2 Milliarden Menschen an). Angesichts dieser Marktmacht, stellt Jäkel die Frage, wer eigentlich Subjekt und wer Objekt sei. Und: "Geben wir Menschen noch den Ton an? Oder doch eher Facebook? Oder vielleicht die künstliche Superintelligenz, deren Entwicklung er (= Mark Zuckerberg) ankündigt?"
Und noch ein Problem darf in dem Essay natürlich nicht unausgesprochen bleiben: Die Werbegelder werden zunehmend den etablierten Printmedien abgezogen und wandern ins Web. 85 Prozent aller neuen Online-Werbebudgets landen bei Facebook und Google, schätzen Experten. Das geht zu Lasten alter etablierter Medienmarken. Jäkel moniert: "Facebooks verdienter Erfolg hat also einen unzweideutigen Effekt: Er dreht dem Journalismus langsam, aber sicher den Geldhahn zu." Auf die neue Welt müssten sich die etablierten Medien mit innovativen Produkten einstellen, allerdings hätten nur einige Wenige auch die nötigen Mittel dazu.
Deshalb appelliert sie an das Verantwortungsbewusstsein, das Facebook bitte entwickeln und zeigen möge: "Was wir brauchen, sind echte, wirtschaftlich belastbare Partnerschaften auf Augenhöhe zwischen Facebook und den Medienunternehmen – anstatt galoppierend asymmetrischer Verhältnisse, in denen sich immer mehr Wissen, Macht und Geld in wenigen Gegenden der amerikanischen Westküste konzentriert."
Jäkels Replik erschien am 4. April in der gedruckten "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und um diesen Zuckerberg-Brief an die Community geht es bei Jäkel: