Käme Springer irgendwann auf die Idee, eine Super-Mini-"WamS" zu machen und sie ebenfalls der "WamS"-Auflage zuzurechnen und tue es ihm morgen ein anderer nach, sei "der Dammbruch da und die IVW als Währung kaputt,"argumentiert Wegner. Die Aufgabe der IVW sei es aber, die Auflage von Zeitungen und Zeitschriften "objektiv" und "vergleichbar" darzustellen.

Was aus "FAZ"-Sicht einleuchtend klingt, ist rechtlich gesehen diffizil. Es könnte sich am Ende einmal mehr zeigen, dass Recht haben und Recht bekommen nicht so einfach in Deckung zu bringen sind. Richter van Dieken sah sich gefordert: "Ich kann sie persönlich verstehen, es müsste diese Zahlen geben. Die Frage ist allerdings, wo ist dafür der rechtliche Hebel?"

Van Dieken lotete mögliche Rechtsgrundlagen in Wettbewerbs- und Vereinsrecht aus: "Irreführung" könne als Argument nicht zählen, weil "der Werbekunde ja wisse, dass er nicht wisse, ob seine Anzeige groß oder klein erscheint". Und es gehe ja auch nicht darum zu prüfen, ob Springer einen Fehler mache, sondern die IVW.

Bleibt also die Frage, ob die IVW gemäß ihrer Satzung die Auflagen "objektiv" und "vergleichbar" ausweist. An der objektiven Auflagenhöhe sei nichts auszusetzen, sagt van Dieken. Kernpunkt sei also die "Vergleichbarkeit".

Die IVW findet, dass sie das richtig macht: Für die Prüfinstanz ist nicht Größe des Formats ausschlaggebend. Sie wertet in ihren Richtlinien die Auflagen als Belegungseinheit und sieht sich damit rechtlich aus dem Schneider. Auch jener von der "FAZ" ins Feld geführte Abschnitt in der Vereinssatzung (Ziffer 6b), der regelt, dass Zeitschriften Teilauflagen in einem anderen Format gesondert ausweisen müssen, gelte nicht für Zeitungen. Die "FAZ" findet, ein Verein, der den transparenten und fairen Wettbewerb sicher stellen wolle, müsse dieselbe Transparenz, die er bei Zeitschriften fordere, auch auf verschiedene Formate von Zeitungsausgaben anwenden.

"Die Frage ist, macht der Verein etwas falsch und kann man dagegen rechtlich vorgehen. Oder muss der Verein das Problem in seinen Gremien lösen?", trieb der Vorsitzendende Richter die Fragerunde voran. In den Gremien der IVW (dort sitzen Vertreter von Regionalzeitungen, Springer, Werbungtreibenden und Agenturen, aber nicht Vertreter von "FAZ", "Zeit" und "Handelsblatt") war Trevisan mit seinem Ansinnen abgeblitzt und nicht einmal persönlich gehört worden - obwohl auch "Die Zeit" und das "Handelsblatt" die "FAZ" in der Sache unterstützen.

Die Verhandlung schloss mit einem Hilfsantrag der "FAZ"-Anwälte, den Beschluss der IVW-Gremien, die "FAZ"-Wünsche abzuweisen, für unwirksam zu erklären. Kurz gestreift wurde in diesem Zusammenhang noch die Möglichkeit einer Feststellungsklage, mit der man klären könnte, ob die IVW den ihrer Satzung zugrundeliegenden Anforderungen an fairen Wettbewerb gerecht wird. IVW-Anwältin Anke Nordemann-Schiffel beantragte, die Klage abzulehnen.

Richter van Dieken machte keinen Hehl daraus, dass der Fall für ihn "nicht einfach" ist. Der Vorsitzende schloss die Verhandlung mit den Worten: "Da muss ich jetzt nachdenken. Ich bin mir ganz sicher, dass wir heute darüber nicht entscheiden."


Autor: Judith Pfannenmüller

ist Korrespondentin für W&V in Berlin. Sie schaut gern hinter die Kulissen und stellt Zusammenhänge her. Sie liebt den ständigen Wandel, den rauhen Sound und die thematische Vielfalt in der Hauptstadt.