Auch würden die in der Klage erhobenen Vorwürfe der eigenen Praxis widersprechen, so die Münchner weiter: Inhalte eines erheblichen Teils der hinter der Paywall von "Bild Plus" veröffentlichten Artikel würden nahezu zeitgleich auf frei zugänglichen Onlineangeboten der Springer-Familie publiziert, teilweise sogar vor Erscheinen im Bezahlangebot.

Warum "Bild" für Focus Online wichtig ist

Indes räumt Focus Online gegenüber dem Kläger "Bild" ein, dass es einen "Anteil von Artikeln mit Zitaten aus dieser Quelle" gebe. Dass zu den vielen Informationsquellen unter anderem auch die "Bild"-Medien zählen. Der Anteil von Artikeln mit Bezug auf diese "Informationsquellen" liegt demnach "bei weit unter einem Prozent" im ausgewerteten Zeitraum April bis Juli 2016.

Die Münchner mutmaßen nun, in der "Bild"-Klageschrift und der "begleitenden medialen Kampagne" solle der Eindruck erweckt werden, "das Angebot von Focus Online bestehe zu großen Teilen aus Kopien von Bild-Plus-Artikeln", heißt es.

Focus-Online-Chefredakteur Daniel Steil - vor seiner Zeit bei Focus Online bis 2011 "Bild"-Unterhaltungschef - spricht sogar von einer "kampagnenartigen Diskreditierung eines erfolgreichen Mitbewerbers". Fakt ist: Die beiden Nachrichtenangebote liefern sich nach Reichweiten im Netz immer wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen und gelten als harte Konkurrenten.

Was war vorgefallen?

Hintergrund: Der Springer-Verlag wollte sich im Januar nicht mehr bieten lassen, dass seine Paywall unterwandert wird. Seine Zeitung "Bild" klagte vor dem Landgericht Köln gegen Focus Online. Der Vorwurf: Systematisch würden exklusive Bild-Plus-Inhalte bei Focus Online kostenlos wiedergegeben. 

Nachdem offenbar immer wieder Einzelfälle aufgefallen waren, hatte die Springer-Zeitung über mehrere Monate sämtliche exklusive Artikel des eigenen kostenpflichtigen Angebots mit den kostenlosen Inhalten von Focus Online abgeglichen. Nach diesen Recherchen würde Focus Online systematisch und oft schon unmittelbar nach der Erstveröffentlichung die exklusiven Bild-Plus-Geschichten auf der eigenen Homepage veröffentlichen, warf Springer dem Konkurrenten vor.

Dann klagte "Bild" auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Was sich Focus Online offensichtlich nicht bieten lassen will. 


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.