Ich glaube, das können alle Print-, Radio- und TV-Journalisten aus der Online-Welt lernen: Die neuen DREI GEBOTE für den Journalismus der Zukunft:

1. Nehmt Eure Leser/Zuhörer/Zuschauer ernst und verarscht sie nicht. Viele von ihnen wissen vieles besser als ihr. Akzeptiert das und seid demütig!
2. Habt keine Angst. Sagt eure persönliche Meinung, auch wenn ihr dafür kritisiert werdet. Mainstream und political correctness sind langweilig.
3. Redet mit euren Lesern/Hörern/Zuschauern per twitter, facebook, email, am Telefon. Egal wie, führt einen Dialog.

Wer es nicht schafft, im Dialog mit ihnen zu stehen und in Form, Sprache und Inhalt ihre Lebenswelten und –wünsche aufzugreifen, wird es schwer haben. Blattmacher dagegen, die das hinkriegen, haben statt Lesern Fans. Dass das klappen kann zeigen Titel wie "brand eins", "Neon" und "Landlust". Wenn’s nicht klappt, kommt es zum "Bravo"-Effekt - da machen irgendwelche Leute ein Heft an der Zielgruppe vorbei und wundern sich, dass die Auflage sinkt und dass keiner sie gern hat.

Liegt die künftige Genese neuer Printtitel im Internet?
Ja, ich hab’s schon gesagt: im Internet sind die Trends, die Themen, die Ästhetik. Wer diese Ressourcen beim Blattmachen nicht nützt, ist selber schuld. Wieso macht mit diesen Ressourcen eigentlich niemand ein Magazin für Jungs in der Pubertät? Oder ein Fashion- und Beauty-Magazin für Mädchen? Oder ein Conspiracy Monthly (großes Thema im Internet)? Oder eine Lokalzeitung mit Qype- und Groupon-Elementen? Oder, oder oder ... Alles was man dafür braucht, steht online.

Haben Blattmacher mit Web-/Blog-/Social-Media-Erfahrung eine andere Arbeitshaltung?
Im Internet ist niemals etwas fertig und niemals etwas ganz falsch oder ganz richtig. Dort herrscht eine ausgeprägte Debatten-Kultur. Ich glaube, es gibt eine andere Grundeinstellung zur Arbeit, wenn man weiß, dass es sich um einen unendlichen evolutionären Prozess der Kommunikation handelt. Und der findet auch noch in aller Öffentlichkeit statt. Das macht verletzbar und hoffentlich ein bisschen demütiger. Früher hieß es bei Journalisten: Wir erwischen Dich, wenn Du Mist baust. Jetzt gilt das auch umgekehrt: Du selbst wirst erwischt, wenn Du Mist baust. Und wenn Du Pech hast, muss danach Dein Verleger Dein Blatt dicht machen. Und Du bist arbeitslos.

Wie anpassungsfähig sind die online-affinen Schreiber im Vergleich zu den angestammten Print-Leuten?
Sie sind auf jeden Fall super anpassungsfähig, wenn es um ihre Honorare oder Gehälter geht, aus dem Internet sind sie nämlich gewöhnt, nichts zu verdienen.

Im Gegenzug: Sind Blattmacher die besseren Blogger?
Wenn sie genug Zeit zum Bloggen hätten, wären Blattmacher die viel besseren Blogger. Das ist allerdings nicht schwer: Die meisten Nur-Blogger haben keine Ahnung von journalistischer Arbeit, professioneller Recherche und der deutschen Sprache. Dazu kommt, dass sie nicht schreiben können.

Wie müssten Nachwuchsjournalisten heute ausgebildet werden?
Erstens müssen sie das klassische journalistische Handwerkszeug (Recherche, Dramaturgie, Stil, Umsetzung der Recherche für das jeweilige Medium) beherrschen. Zweitens müssen sie das technische Handwerkszeug beherrschen (elektronische Aufzeichnungen, Digicam, Smartphones, Computer). Drittens müssen sie im Internet fit sein. Viertens müssen sie lernen mit den Synergien der modernen Kommunikationswelt umzugehen: Print, Video, Audio, Blogs, social media – alles ist mit allem vernetzt. Und fünftens kann es nichts schaden, zu wissen, wie man im Internet Ego-Marketing betreibt (Xing, facebook, twitter). (ps/fm)


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.