Gibt es weitere Gründe?

Ja, die "New York Times". Ihre Paywall besteht inzwischen im dritten Jahr. Die "New York Times" hat damit bei Hunderten von lokalen und regionalen Zeitungen die falsche Hoffnung geweckt, dass sie auf diesem Weg ebenfalls eine bedeutende neue Erlösquelle erschließen könnten. Viele Verlage haben rasch das Metered Model der "New York Times" kopiert. Kurzfristig werden einige davon auch tatsächlich neue Erlöse erzielen. Aber so ziemlich alle werden bald feststellen, dass nur eine Minderheit der Website-Nutzer für das Angebot zahlen will.

Sie sehen also in Paywalls keinen langfristigen positiven Effekt?

Wie gesagt, einige Zeitungsverlage werden durch ein Bezahlmodell wie dem der "New York Times" in der Lage sein, durch ein Bundle-Abonnement von Print- und Digital-Ausgabe den Rückgang bei den Print-Erlösen etwas einzudämmen. Paywalls sind eine Möglichkeit, einen stabilen Vertriebserlös zu generieren. Aber dies wird das insgesamt zerstörte Business-Modell der Lokal- und Regionalzeitungen nicht wieder in ein Geschäft verwandeln, das nachhaltige Gewinne einfährt.

Zeitungsverlage müssen sich also neu erfinden?

Genau. Und ich weiß nicht, ob es dafür einen einfachen Weg gibt. Zunächst einmal könnte es helfen, ohne sich zu sehr auf eine Paywall zu verlassen, weitere Erlösmöglichkeiten zu erschließen – online und offline. Außerdem glaube ich, dass die Kostenstrukturen vieler Newsrooms weiterhin nicht mit den realen Erlösmöglichkeiten im Einklang stehen. Deshalb werden wir weiter einen signifikanten personellen Abbau in den Newsrooms erleben. Der Schwerpunkt wird künftig auf Multitasking liegen. Die Newsrooms müssen davon wegkommen, bloß Inhalte zu erstellen. Sie müssen vielmehr dafür sorgen, dass sich die Nutzer engagiert und interaktiv über alle Kanäle mit den Inhalten auseinandersetzen.

Und was muss auf Verlagsebene geschehen?

Die Verlage werden sich wohl damit abfinden müssen, dass ihre größten Werbekunden künftig eigene Inhalte produzieren und nicht mehr so sehr auf klassische Werbung setzen. Und die Verlage müssen endlich erforschen, wie ihre Nutzer sich mit Werbung auseinandersetzen, so wie sie dies bisher bei ihren Inhalte-Angeboten erforscht haben.

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Autor: Franz Scheele

Schreibt als freier Autor für W&V Online. Unverbesserlich anglo- und amerikanophil interessieren ihn besonders die aktuellen und langfristigen Entwicklungen in den Medien- und Digitalmärkten Großbritanniens und der Vereinigten Staaten.