Sicherlich ist das Ganze eine Lehrstunde für die Medien. Allerdings ist fraglich, ob sich dadurch nachhaltig etwas an der Situation der Obdachlosen in Deutschland ändert, um die es Bienkowski angeblich in erster Linie geht. Oder ob er sich nicht eher als Guerilla-Marketer empfohlen hat. Gegenüber W&V betont er, dass das Engagement für Menschen ohne Dach über dem Kopf sein soziales Thema sei. Er plane in diesem Jahr eine große Verköstigung in Düsseldorf und wolle in die Fußstapfen Frank Zanders treten. Der Musiker richtet seit 18 Jahren ein Weihnachtsessen für Obdachlose in Berlin aus. Außerdem hat Bienkowski zeitgleich mit der Auflösung seiner Guerilla-Aktion die Idee von "Microappartments" veröffentlicht, die auf fünf Quadratmetern Privatsphäre zur Verfügung stellen sollen. In leerstehenden Gebäuden oder Hallen, so die Idee, könnte dadurch kostengünstiger Wohnraum entstehen - für Obdachlose aber auch Studenten.

Bienkowskis Vorgehen steht in einer ganzen Reihe von Aktionen, die größtmögliche Aufmerksamkeit für Obdachlosigkeit schaffen wollten. Und dabei nicht immer sensibel vorgingen:

Im Februar provozierte das Unternehmen Farbflut Entertainment, von der schon ein umstrittenes Spiel namens "Pennergame" stammt. Sie wollte mit einer satirisch-zynischen Facebookseite mit dem Titel "Initiative sauberes Hamburg" die Diskussion über Obdachlosigkeit ankurbeln und erntete dafür nicht nur Zustimmung. Sie erreichte aber durchaus, dass das Thema in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

In Schweden machte das Obdachlosen-Magazin "Faktum" mit einer gelungenen Online-Kampagne auf die Situation der Menschen ohne Dach über dem Kopf aufmerksam. Auf der Website des "Faktum Hotels" konnten User symbolisch eine Übernachtung an Orten in Göteborg buchen, an denen Obdachlose häufig nächtigen - also etwa im Park, unter der Brücke oder in verlassenen Bauten. Das dabei eingenommene Geld kam obdachlosen Menschen zu Gute.

RTL brachte das Thema im Februar in die Wohnzimmer seiner Zuschauer. Damals moderierten Obdachlose den Wetterbericht – und zwar direkt von der Straße aus. Sie kündigten die Temperaturen der kommenden Wintertage an und berichten von den Folgen, die die Kälte für sie persönlich hat.


Franziska Mozart
Autor: Franziska Mozart

Sie arbeitet als freie Journalistin für die W&V. Sie hat hier angefangen im Digital-Ressort, als es so etwas noch gab, weil Digital eigenständig gedacht wurde. Heute, wo irgendwie jedes Thema eine digitale Komponente hat, interessiert sie sich für neue Technologien und wie diese in ein Gesamtkonzept passen.