Die Konkurrenz hat den Vorstoß aufmerksam beobachtet, sieht sich aber selbst bestens im Markt aufgestellt, wie Einschätzungen aus den Verlagshäusern zeigen.

Für VoD: mehr Einordnung und eigene Streaming-Plattformen

Trotz der rückläufigen Auflagen im Gesamtmarkt gibt man sich zum Beispiel im Verlagshaus Bauer zuversichtlich: "Es gibt keine Zeitschriftengattung in Deutschland, die so stark im Alltag der Deutschen verankert ist wie Programmzeitschriften", sagt der Verlagsgeschäftsführer Programmzeitschriften der Bauer Media Group, Sven Dams.

"Gut für uns: Je mehr Bewegtbild-Angebot es gibt, desto unübersichtlicher wird es, desto mehr sehnt sich der Konsument nach Einordnung."

Zitat: Sven Dams, Bauer Media

Um den "spannenden und lukrativen Markt" konkurrieren nach seinen Angaben mehr als 30 Kaufzeitschriften. Bauer ist mit neun Marken dabei - von "TV 14" über  "TV Movie" (976.000 verkaufte Exemplare) bis zu "TV Top" (125.000 Exemplare). Längst erhält der Leser etwa in "TV Movie" auch Infos und Empfehlungen zu Video-on-Demand-Angeboten oder zur Verfügbarkeit in Mediatheken. Programme und Tipps sind auch über Websites und Apps verfügbar. Es sei die "journalistische Aufgabe der Programmies", für seine Leser das Relevante herauszufiltern, sagt Dams.

Der Manager ist überzeugt, dass der Markt weitere neue Zeitschriftenkonzepte sehen wird. "Die Frage ist: Wann ist eine Medienentwicklung so stark, dass sie wirtschaftlich signifikant verwertbar ist?"

Hubert Burda Media ist mit vier Titeln im Segment Programmzeitschriften vertreten. "TV Spielfilm" verkauft noch 803.000 Hefte alle zwei Wochen, das Nischenprodukt "TV Schlau" konnte zuletzt sogar leicht zulegen (um 8,43 Prozent auf gut 120.000 Exemplare). Die Münchner haben außerdem ein zusätzliches digitales Standbein geschaffen: Bei "TV Spielfilm live" sind mehr als zwei Millionen Nutzer registriert, Abo-Zahlen gibt es noch nicht.   

"Wir müssen dem rückläufigen Print-Markt begegnen, und das machen wir über unsere Markenentwicklung", sagt Chefredakteur Lutz Carstens. Gleichzeitig gilt: "Mit Print verdienen wir nach wie vor sehr gutes Geld, auch wenn die Renditen zurückgegangen sind."

"Wir begrenzen uns schon lange nicht mehr auf lineares Fernsehen."

Zitat: Andreas Mauch, Burda

Im großen "Haifischbecken der Programmies" habe dieses Burda-Segment seit Juli 2015 einen digitalen Unterbau, ergänzt Andreas Mauch, Manager Screens bei Burda News.

Der Burda-Streamingdienst erlaubt zeitversetztes Fernsehen, personalisierte Filmtipps und bietet Zugriff auf Mediatheken. Mit einem Marktanteil von knapp 70 Prozent sehen sich die Macher in der digitalen Welt bereits als "Platzhirsch".

Funke, mit "TV Digital" und "Hörzu" im Spiel, betrachtet die Marktentwicklung trotz eines jährlichen Auflagenrückgangs von etwa 3 bis 4 Prozent zuversichtlich: Das Programmie-Segment habe die stärksten Renditen im Zeitschriftenmarkt, sagt der Verlagsgeschäftsführer Zeitschriften der Funke-Mediengruppe, Jochen Beckmann. Das Minus in der Auflage konnte nach seinen Angaben bisher durch eine Erhöhung des Einzelverkaufspreises aufgefangen werden, sodass die Vertriebserlöse stabil geblieben seien.

 

"Wir werden noch mindestens 20 Jahre Spaß an dem Segment haben."

Zitat: Jochen Beckmann, Funke

Um die Jüngeren in die Fernsehwelt mitzunehmen, hat auch dieses Medienhaus Web-Auftritte und Apps für seine Titel aufgesetzt. "Wir sehen das Onlineangebot als Ergänzung", sagt Beckmann. Das TV-Angebot fragmentiere sich zunehmend, online könnten mehr Programme aufgenommen als im Print abgedruckt werden. Bei "TV Digital" mit einer Lesergruppe im durchschnittlichen Alter von 35 bis 40 Jahren seien Infos über Streamingangebote von Netflix oder Amazon Prime bereits eingebunden, so der Verlagsgeschäftsführer. Sollten solche Angebote künftig noch stärker abonniert werden, ist es auch für ihn nur eine Frage der Zeit, wann hierzu Extra-Hefte erscheinen könnten.

"Gedruckte Programmies unschlagbar"

Der Kommunikationsexperte Andreas Vogel vom Wissenschaftlichen Institut für Presseforschung ist optimistisch, was die Zukunft der Programmzeitschriften angeht: "Die spannende Frage ist, wie schnell sich die Linearität beim Fernsehkonsum aufhebt." Eine Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) hatte jüngst ergeben, dass die Nutzung des traditionellen linearen Fernsehens zugunsten anderer Formate leicht zurückgegangen ist. Und selbst dann bleibe das Angebot unübersichtlich, urteilt Vogel. Von daher seien gedruckte Programmzeitschriften unschlagbar, wenn der Leser einen schnellen umfassenden Überblick bekommen solle.

Das ist der Kern des "Spiegel"-Experiments: Die Zielgruppe von "Spiegel Fernsehen" sind Zuschauer im Alter von 30 bis 50 Jahren, "die nach Qualität suchen und ihr individuelles Programm sowohl linear als auch digital zusammenstellen". Für Redaktionsleiter Christian Buss gehört dazu das öffentlich-rechtliche Fernsehen genauso wie internationale Streaminganbieter. Es gehe darum, "die blühende internationale Senderlandschaft ohne Zapping-Tourette erlebbar zu machen".

Filme und Serien, Dokumentationen, Streaming und Abschalten hießen die Rubriken der Testausgaben, neben ausführlichen Besprechungen gefüllt mit Interviews, Porträts und Reportagen. Noch darf man gespannt sein, ob der "Spiegel"-Programmie eine Episode bleibt oder 14-täglich in Serie geht. (sh/dpa)


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Autor: W&V Redaktion

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