Konkurrent "Focus" landete mit seiner Nummer 2/2012 – ebenfalls ab 9. Januar am Kiosk - einen Erfolg, wobei "Die Wulff-Krise: Neue Fragen" nur zweiter Aufmacher neben der Titelstory über Selbstmotivation war. Das Heft verkaufte sich am Büdchen 118.031 Mal; im Vergleich mit den anderen Ausgaben seit November das immerhin zweitbeste Ergebnis. Auch hier legte nur eine Ausgabe mit DVD die besseren Zahlen vor: 223.862 Stück für die Nummer 52/11 zum Thema "Schlank ohne Diät". Der "Stern" brachte keine Titelgeschichte zur Wulff-Affäre. Und "Bild"-Zahlen zu einzelnen Ausgaben - wie der vom 24. November mit der oben erwähnten Story über die Kreditaffäre - sind nicht zu bekommen. Im vierten Quartal machte sich die Berichterstattung nicht bemerkbar.

Im TV hat sich die starke Fixierung auf den Fall nur bedingt bezahlt gemacht -nicht einmal, als Wulff Mitte Februar zurückgetreten ist. So kam Günther Jauchs Sondersendung nicht gegen den Mainzer Karneval an - die Talk-Sondersendung "Günther Jauch" zum Thema: "Wulff – Der Rücktritt. Hintergründe und Folgen" sahen am Freitag, 17. Februar ab 21 Uhr im Schnitt lediglich 3,3 Millionen Menschen (10,1 Prozent). Den 45-minütigen "Brennpunkt: Wulffs Rücktritt" aus dem ARD-Hauptstadtstudio verfolgten ab 20.15 Uhr im Schnitt sogar nur 2,94 Millionen Zuschauer (8,9 Prozent) – und das in der Primetime.

Besser lief es für die Nachrichtensender, die sich live in den Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff eingeklinkt haben. So erzielte die vierminütige Übertragung der Abschiedsrede bei N24 insgesamt 140.000 Zuschauer, der Marktanteil bei den Zuschauern ab drei Jahren lag bei 1,8 Prozent, bei den 14- bis 49-Jährigen bei 2,8 Prozent. Beim Kölner Konkurrenten n-tv waren sogar 380.000 Zuschauer versammelt – das macht 5,2 Prozent Gesamtmarktanteil und 4,2 Prozent bei den Werberelevanten. Zum Vergleich: Im Mittel erzielen beide Sender nur etwa ein Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum.

Mehr Interesse beim TV-Publikum vermochte da schon das Kreuzverhör Anfang Januar hervorzurufen. Zusammengerechnet fast 11,5 Millionen Zuschauer wollten damals zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr wissen, wie Wulff Stellung zu den Vorwürfen rund um seine Kreditaffäre und seine angeblichen Drohungen gegenüber der "Bild"-Zeitung nahm. 8,04 Millionen Menschen hatten sich für die ARD-Sondersendung "Bundespräsident Wulff stellt sich" entschieden (Marktanteil: 23,7 Prozent). 3,45 Millionen Politik-Interessierte verfolgten die gemeinsam produzierte Sendung im ZDF (Marktanteil: 10,2 Prozent). Somit saß mehr als ein Drittel aller Fernsehzuschauer vor dem Fernseher bei dem Gespräch, in dem sich der umstrittene Spitzenpolitiker den Fragen von Ulrich Deppendorf, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, und von Bettina Schausten, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, stellte. Den vorläufigen Abschluss lässt sich indes die ARD nicht entgehen – anders als die Alt-Bundespräsidenten: Das Erste überträgt den Großen Zapfenstreich an diesem Donnerstag live im Fernsehen –auch N24 und Phoenix klinken sich ein.

Wulffs Affären-Flut hat vor allem online Spuren hinterlassen. In der Hochphase der Berichterstattung im Januar haben die Nachrichtensites deutliche Zuwächse verzeichnet. So gewannen Faz.net und Süddeutsche.de - die Onlineauftritte der Zeitungen, die als erste über die Drohanrufen des Bundespräsidenten bei Bild.de berichteten - deutlich zu: Faz.net kam auf 27,4 Millionen Visits (plus 18,55 Prozent gegenüber Vormonat). Süddeutsche.de legte um ein Viertel zu und verzeichnete im Januar 2,42 Millionen Visits. Bild.de hatte im Januar 224,23 Millionen Visits, ein Plus von 17,3 Prozent. Deutlich nach oben ging es im Januar auch für die Nachrichten-Plattformen Spiegel Online (180,21 Millionen Visits) und Welt Online (43,9 Millionen Visits; plus 19 Prozent).

Und wie sieht das Resümée bei Kommunikationsberater Hasso Mansfeld aus, der sich als vehementer Kritiker von "Bild"-Chef Kai Diekmann und dessen Umgang mit dem Bundespräsident hervorgetan hat? Er reibt sich vor allem an der aus seiner Sicht einseitigen Berichterstattung. "Ich mache den Medien zum Vorwurf, dass die Rolle von Frau Wulff nie richtig durchleuchtet wurde. Das ist doch kollektive Erblindung der Journaille, wenn eine schöne Frau im Bild auftaucht und keiner mehr mitbekommt, wie sich Wulff für seine Bettina zum Affen macht", schimpft Mansfeld.

Der FDP-Politiker glaubt, dass die Causa Wulff für die Medien ein Schuss sein könnte, der noch nach hinten losgeht. Hasso Mansfeld: "Ich möchte es als Pyrrhussieg der Medien bezeichnen, dass Christian Wulff am Ende zurückgetreten ist. Die ganze Affäre hat doch zur Erosion der Qualitätsmedien beigetragen, die mit ihrem kollektiven Tunnelblick allen Vorurteilen über die ‚schlimme Presse‘ Vorschub geleistet haben." Er orakelt, dass besagte Printmedien im Nachgang durchaus an Glaubwürdigkeit und sogar Auflage verlieren könnten. Viele Journalisten und "Pseudo-Fachleute" hätten sich selbst in Szene gesetzt, zuvor angesehene Kollegen wie ZDF-Frau Schausten zum Gespött gemacht. "Der Umgang der Medien mit Bundespräsident Christian Wulff hat die Atmosphäre vergiftet", betont Mansfeld. Es gebe eigentlich nur Verlierer.

ps/jmk


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.