Kommentar:
Was die Trennung von Print und Digital bei Springer bedeutet
Alle wollen "Silos einreißen" und Medienkanäle zusammenführen. Warum also die genau gegenteilige neue Struktur bei Springer, und was hat Funke damit zu tun? Eine Analyse von W&V-Korrespondentin Judith Pfannenmüller.
Es haben sich alle die Augen gerieben, als Axel Springer Anfang September einen Großumbau einleitete und das Printgeschäft wieder fein säuberlich vom Digitalgeschäft separierte. Verwunderlich ist daran vor allem, dass dieser Schritt auf den ersten Blick der Zeitgeist-Erzählung in der Branche widerspricht, man müsse dringend die Silos auflösen und die ganz großen Vermarktungsplattformen bauen – auf Agenturseite ebenso wie bei den Vermarktern.
Gerade wirbt Funke-Manager Manfred Braun in der Branche wieder für seine Idee einer großen Verlags-übergreifenden, wenn nicht sogar alle Mediengattungen umfassenden Vermarktungsplattform.
Konzentration auf die Springer-eigenen Marken
Der Vermarkter Media Impact (MI), also das Joint Venture, das Funke mit Springer ja gerade aus Gründen größerer Schlagkraft eingegangen war, wird dafür nach Springers Umbau kaum die Keimzelle werden. Dort weisen die Signale eher in die gegensätzliche Richtung. Denn die neue Struktur ist noch deutlicher als bisher auf die Springer-eigenen Marken Bild und Welt ausgerichtet, um auch aus dem Stammgeschäft Print in der angespannten Marktsituation alles herauszuholen, was noch möglich ist. Dort ist ja offenbar noch Musik drin, Bild soll wieder zugelegt haben. Aldi beispielsweise hat nahezu komplett auf die Belegung von Zeitungen verzichtet - bis auf Bild. Das zeigt, Verlage können aus Print noch etwas herausholen, wenn sie sich auf die Vermarktung der eigenen starken Marken konzentrieren.
Funke-Ausstieg bei Media Impact eine Frage der Zeit
In Springers neuer Struktur wirkt das Funke-Portfolio allerdings wie ein drittes Rad am Zweirad. Das kann Funke nicht gefallen, zumal der Verlag - das ist schon länger zu hören - über die Vermarktung seines Zeitungs-Portfolios bei MI ohnehin nicht in Glücksgeheul ausgebrochen ist.
Statt des herbeigesehnten großen Schulterschlusses ist im Grunde das Gegenteil zu beoachten: Die Verlage kümmern sich um ihr eigenes Portfolio und sorgen dafür, dass sie zur Not auch alleine loslaufen könnten. Alle großen Verlagsgruppen haben ihre hauseigene Vermarktung flott gemacht - parallel zu den noch nicht von durchschlagendem Erfolg gekrönten Bemühungen, gemeinsame Vermarkter aufzustellen (wie zum Beispiel auch Score Media). Gerade hat auch Funke Vollzug gemeldet: Die Vermarktungsabteilung Funke National Sales (20 Mitarbeiter und Zugang zu 600 nationale Kunden und Agenturen) und Funke Media Sales NRW (300 Mitarbeiter und eine integrierte Vermarktung mit Funk, Print, Digital Social Media) steht.
Es sieht also eher danach aus, als bereite sich Funke auf einen Ausstieg bei Media Impact vor. Dieser Schritt würde niemanden überraschen und ist - abhängig von den Vertragsmodalitäten - wohl nur noch eine Frage der Zeit. Das Streben nach Selbstbestimmung bei Funke ist jedenfalls nicht zu übersehen.
Facebook bedroht Springers Rubriken-Geschäft
Und wie geht es bei Springer weiter? David Chavern, Präsident und Geschäftsführer des US-Zeitungsverlegerverbands News Media Alliance hat das Problem der Verlage in der FAZ gerade noch einmal auf den Punkt gebracht: "Der Print-Sektor, dessen Produkt der Verlag selbst vertreibt, schrumpft stetig. Der digitale Sektor schießt dagegen in die Höhe, aber seine Ökonomie wird quasi komplett von Google und Facebook beherrscht."
Nun greift Facebook nicht nur im Werbemarkt, sondern zudem Springers renditestarken Wachstumsmotor im Digitalsektor an - das florierende Geschäft mit den digitalen Kleinanzeigen. Die Kleinanzeigenplattform Facebook Marketplace, die der Tech-Gigant seit August auch in Deutschland betreibt, ist nicht nur eine Konkurrenz für Ebay, sondern auch eine Gefahr für eines der erfolgreichtsten Umsatzstandbeine von Axel Springer.
Es ist eine noch ungelöste Frage für den Verlag, wie man sich der aufkeimenden Konkurrenz von Marketplace am besten entgegenstellen kann. Durch weltweite Rubriken-Kooperationen mit anderen Verlagen? Durch nationale Kooperationen mit allen regionalen Rubrikenportalen? Durch eine Kooperation mit Facebook, die mit immer neuen Diensten einen immer umfassenderen Zugang zum Smartphone-Nutzer bauen?
Mit der Trennung des Digital-Geschäfts von der Printsparte hat der Verlag jedenfalls eine Konstruktion geschaffen, die Digital-Allianzen - welcher Art auch immer - erleichtern wird.