Lürzer's Archive berichtet weltweit, Adweek in den Staaten. Für den deutschsprachigen Raum ist Werben & Verkaufen mit im Boot.

Das erste Basislager der Creative Expedition schlug Charlotte Bufler bei Goodby, Silverstein & Partner in San Francisco auf. Von da meldet sie bereits durchaus überraschende "Forschungs"-Ergebnisse: Gesammelt nachzulesen auf der entsprechenden Facebook-Seite. Im Folgenden eine Zusammenfassung: 

Amerikas Kreativ-Wirtschaft fehlen Big Heads

Noch stärker als hierzulande hat die Branche in Amerika erhebliche Nachwuchs-Probleme. Mad Men ist Geschichte. Schon lange. Neue Bernbachs, Burnetts, Thomsons? Ebbe. Die großen kreativen Talente zog es bis zur Lehmann-Pleite ins Investmentbanking, um im Handumdrehen Millionär zu werden.

Heute sind es Startups, die die potentiellen Kreativ-Stars entweder gleich selbst gründen oder anheuern. Ziel: Milliardär.

Die "klassischen" Kommunikations-Dienstleister trocknen vom Kopf her aus. Eine offenbar dramatische Entwicklung in den USA.

Amerika vs. Europa, kreativ gesehen

Eine verblüffende Feststellung: Amerikas Kreative beneiden Europa. In Europa, so die Sicht der US-Kollegen, kann man freier denken, haben mutigere, ja innovativere(!) Ideen eine Chance auf Umsetzung. Gerne zitiertes Beispiel ist der Edeka-Opa, der in den Staaten wohl nie und nimmer realisiert worden wäre. Selbstverständlich werden zwischen NY und LA reichlich Goldideen produziert. Große, "neue" Kampagnen kommen, so die US-Wahrnehmung, aus Europa. Eine neue Rolle für die europäische Kreativwirtschaft?

Ostküste vs. Westküste

Amerikanische Top-Kreative machen nicht nur ein Gefälle zwischen den Staaten und Europa aus. Sie unterscheiden auch zwischen East-Coast-Creativity und West-Coast-Creativity. New York, als Beispiel, wird als stock-konservativ, auf das schnelle Ergebnis fokussiert gesehen. Ein Fegefeuer für kreative Ideen und deren Macher. In L.A., San Francisco dagegen herrsche eine diametral freiere, mutigere Atmosphäre. Hier mische sich der Pioniergeist der ersten Siedler mit dem der digitalen Szene. Neugierde, Mut und Optimismus. So gesehen liegt für amerikanische Kreative San Francisco näher an Berlin als New York.

Dünger für die Kreativität

Agenturen wie Goodby, Silverstein & Partners brechen bewusst überkommene Agentur-Strukturen auf. Sie pflegen und fördern unterschiedlichste Arbeitsweisen, ob One-Man-Show oder kreatives Versuchslabor. Regeln, Copy-Strategien – good to know, better to forget. Bloß weg aus den traditionellen Schubladen.

Charlotte On Creative Expedition: A Coffee With Rich Silverstein from Charlotte Bufler on Vimeo.

Das Gender-Thema – au weh

Auch, wenn hier Ausnahmen die Regel bestätigen und demnächst ggf. eine Frau Präsident werden könnte. Die amerikanische Kreativ-Szene wirkt noch patriachalischer als die Branche in Europa. Der Aufstieg einzelner weiblicher Spitzenkräfte wird gefeiert als hätten sie den Americas Cup gewonnen. Das lenkt aber von der tatsächlichen Situation ab. Allerdings ist das Gender-Thema über dem Teich lange nicht so hot wie in Europa. Amerikanische Frauen scheinen ihre Rolle als Icehockey-Mum zu lieben. Richtig gelesen. Zu lieben.

Armes, konservatives Amerika.

Fazit:

Die amerikanische Kreativ-Wirtschaft, ihr kreativer Output, scheint in einer veritablen Krise zu stecken. Verblüffend und bewundernswert ist jedoch die klare Selbstkritik, mit der die amerikanischen Kollegen die Lage einschätzen. Was ja der erste Weg zur Besserung ist. Also – nix wie hin, wer sich für ein kleines kreatives Genie hält.


Autor: W&V Gastautor:in

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