Für ihre Geschäftsidee suchen die Werber nun einen Investor, der das Konzept umsetzt. Eine Pressemitteilung der Uni brachte dafür den Stein ins Rollen, Medien berichteten, das Trio selbst betrieb vor allem über Facebook Öffentlichkeitsarbeit. Erste Interessenten haben sich gemeldet, sagt Glück, „aber es ist noch nichts in trockenen Tüchern“. Parallel versuchen sie, ihre Agentur zu etablieren. Erste Kunden gibt es, etwa die Silberschmiede Koch & Bergfeld Corpus und das Musiklabel Rondeau.

Im Interview mit W&V Online erklären die jungen Werber ihre Idee für "Ugly Fruits":

Die EU hat 2012 die Restriktionen für die Form und Größe von 26 Früchten und Gemüsesorten gelockert. Hat Sie das inspiriert? Wie sind Sie auf die Idee für Ihre Diplomarbeit gekommen?

Die Idee, unser Diplom dem Thema Lebensmittelverschwendung zu widmen, entstand ein Semester zuvor in einem Projekt von Prof. Werner Holzwarth und Björn Kernspeck mit dem schönen Titel "Weltverbesserer". Ziel war es, durch Kommunikation Probleme nicht nur aufzuzeigen, sondern Lösungsansätze mitzuliefern z.B. durch Gamemification. Konkreter Auslöser war der Film "Taste the waste", der sich mit der globalen Lebensmittelverschwendung in all ihren Auswüchsen beschäftigt. Der Aspekt der Verschwendung direkt vor unserer Haustür berührte und interessierte uns schließlich am meisten. Die fast gleichzeitige Lockerung der EU-Normen eröffnete neue Gestaltungsräume. Bei der Recherche stellten wir jedoch schnell fest, dass der Obst- und Gemüsehandel damit kaum freier geworden war. Für die wichtigsten Sorten blieben die Normen bestehen und bei den anderen übernahm der Handel nun die Rolle und legte eigene Normen fest - ohne gemeinschaftlichen Konsens.

Dass es bald flächendeckend Ugly Fruits-Läden gibt, blieb also stets etwas utopisch, doch genau diese Gratwanderung eröffnete uns große Gestaltungsräume - immer an der Grenze des Machbaren zu arbeiten.

Beim ADC Nachwuchswettbewerb haben Sie mit dem Konzept Silber gewonnen. Hilft das weiter? 

Auf jeden Fall.

Sie wollen die Früchte und das Gemüse direkt vom Bauern beziehen. Wie nehmen die Hersteller Ihre Idee auf?

Bei der Umsetzung unserer Arbeiten für die Diplompräsentation hatten wir zahlreiche Gespräche mit Bauern, die sich sehr interessiert gezeigt haben. Konkrete Vereinbarungen gibt es jedoch nicht. Von Herstellerseite hatten wir ein Gespräch mit dem Vorstand des deutschen Fruchthandelsverbands. Er fand unsere Idee großartig, hatte jedoch bei der Umsetzung aus seiner kaufmännischen Sicht Bedenken. Wir denken, es käme auf einen Versuch an. Dass sich etablierte Händler nicht trauen, hat schließlich zum aktuellen Status geführt, dass Obst und Gemüse im Einzelhandel als Industriegut daher kommt.

Mit Ihren Kampagnen wollen Sie auch große Lebensmittelketten wie Real oder Edeka bloßstellen. Die wären unter Umständen aber auch mögliche Investoren. Gibt es da Gespräche?

Noch nicht. Und noch sind wir so idealistisch, die Nachfrage auf eigenem Wege zu erreichen. Beispiele von Waitrose (UK) und COOP (CH) zeigen jedoch, dass auch große Supermarktketten in Einzelfällen auf den Trichter kommen. Allerdings werden die normabweichenden Früchte hier zumeist noch neben den "normalen" präsentiert und günstiger angeboten, was sie minderwertig erscheinen lässt. Dies wollen wir nicht.

Das Verbraucherministerium fährt seit längerem eine umfassende Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung. Ihre Idee stößt dort sicherlich auf Zustimmung. Gibt es von dort Unterstützung? 

Wir könnten uns eine Kooperation mit dem BMELV sehr gut vorstellen. Zu einem direkten Kontakt ist es jedoch noch nicht gekommen. Vielleicht ändert sich das jetzt. “Zu gut für die Tonne” nahm schließlich den gleichen Faden auf - beschäftigte sich jedoch hauptsächlich mit der Verschwendung nach dem Kauf. Unserer Meinung nach würde sich eine Folgekampagne, die das Problem an der Wurzel packt, sehr gut machen.

Wie geht es voran?

Wir sind dem Ziel einer realen Umsetzung ein Stück näher gekommen. Noch ist nichts in trockenen Tüchern, doch die Chancen stehen gut, dass Ende nächsten Jahres ein erster "Ugly Fruits"-Laden eröffnet wird und dann viele weitere folgen könnten. Jedenfalls sind wir im Gespräch mit einem Investor, der sich einen groß angelegten Versuch vorstellen könnte. Wir würden die Kommunikation und Werbung dafür gerne weiter entwickeln, den geschäftlichen Plan aber abtreten und uns auf unsere Kompetenz als Werbeagentur konzentrieren. (kr/fs)


Autor: Frauke Schobelt

koordiniert und steuert als Newschefin der W&V den täglichen Newsdienst und schreibt selber über alles Mögliche in den Kanälen von W&V Online. Sie hat ein Faible für nationale und internationale Kampagnen, Markengeschichten, die "Kreation des Tages" und die Nordsee. Und für den Kaffeeautomaten. Seit 2000 im Verlag W&V.