Mit der Zunahme der Internetfirmen ist die Anzahl der Unternehmen, die sich um die gleichen Mitarbeiter wie die Agenturen bemühen, stark angewachsen. Parallel dazu ist das Renommee der Agenturen als Arbeitgeber gesunken. Wenn es schon mehr Wettbewerb gibt und der Ruf dieser Branche sich nicht verbessert hat, warum gießt man mit einer solchen Diskussion noch zusätzlich Öl ins Feuer? Mir ist das völlig unerklärlich. Und ich finde es ehrlich gesagt sehr traurig.

Anstatt in Konventionen zu verharren, wäre doch genau jetzt der richtige Augenblick, um über Veränderungen der Prozesse und Strukturen nachzudenken. Keine Frage: Es gibt heute mehr Agenturen, die den Workload ihrer Mitarbeiter deckeln und wirklich fair mit ihnen umgehen. Doch mit den zahlreichen Jubelarien auf die unentgeltlichen Praktika schrumpft die ohnehin schon kleiner gewordene Anzahl der potenziell interessierten jungen Leute noch weiter. Mit einem „Weiter so“ für „umme“ bekommt diese negative Entwicklung noch mehr Fahrt. Nachdem schon vor Jahren vor allem der personelle Mittelbau der Agenturen ausgedünnt wurde, wird es künftig also auch immer weniger Indianer geben. Was bleibt dann überhaupt noch übrig?

Mir geht es am allerwenigsten darum, die moralische Keule zu schwingen. Inhaltlich ist in der Mindestlohn-Debatte ohnehin von allen Seiten schon alles gesagt. Ich glaube, dass man einfach differenzieren muss. Ein Schüler-  oder Studentenpraktikum überhaupt zu vergüten, finde ich sehr fragwürdig. Diese jungen Leute haben schließlich keine oder sehr wenig Praxiserfahrung. Agenturen müssen sie vielmehr an die Hand nehmen, und dabei kommt es auch zu Störungen im Arbeitsablauf.

Sprechen wir allerdings von Praktikanten, die ein Studium oder eine Ausbildung an einer Akademie abgeschlossen haben und nach einer Einarbeitung eine vollwertige Arbeitskraft darstellen, dann finde ich ein unentgeltliches Arbeiten mehr als schwierig. Über die Frage, wie hoch die Vergütung ausfallen sollte, kann man sich trefflich streiten. Deutlich unter dem jetzt geplanten 8,50 Euro-Mindestlohn sollte die Entlohnung aber nicht liegen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass solche Praktika mindestens über einen Zeitraum von einem halben Jahr angeboten werden.

Wie schön es doch wäre, wenn es der Werbebranche einmal gelänge, die gesamte Nachwuchs- und Mindestlohndebatte für konstruktive Anstöße zu nutzen, welche die Agenturen am Ende auch mal in positiverem Licht erscheinen lassen. Das kann eigentlich nicht so schwer sein. Diese spannende Branche hätte es wahrlich verdient."

Über den Autor:

Heiko Burrack (geb. 1967) schloss 1995 sein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing an der Uni Göttingen ab. Danach arbeitete der Diplomkaufmann in der Kundenberatung unterschiedlicher Agenturen (Dorfer Dialog, McCann-Erickson). Im Jahr 2003 gründete er in Frankfurt die Agenturberatung Burrack NB-Advice. Er ist auch Autor diverser Bücher zu dem Thema.


Autor: Markus Weber

Markus Weber ist seit 20 Jahren Mitglied der W&V-Redaktion. Als Nachrichtenchef ist er für die aktuellen Themen auf wuv.de zuständig. Darüber hinaus ist er innerhalb der Redaktion der Themenverantwortliche für "CRM & Data". Aufgewachsen ist Markus auf einem Bauernhof im Württembergischen Allgäu. Mit fünf Geschwistern.