Was sind die Ursachen?

Die Erfahrungen der „Generation Praktikum“ – obwohl ich diesen Ausdruck ehrlich gesagt nicht mag. Aber es ist häufig so: Die Teams sind hoffnungslos unterbesetzt, so dass keine Zeit bleibt, sich um die Praktikanten und um deren Weiterentwicklung zu kümmern. Konkurrenzdruck und Termindruck sind hoch, die Arbeitszeiten lang. Und es kann vorkommen, dass Praktikanten unter diesen Voraussetzungen auch Projekt-Verantwortung übertragen wird. Das ist zwar einerseits schön, weil die Leute dadurch ziemlich schnell sehr viel lernen. Aber andererseits fühlen sie sich dadurch natürlich ausgenutzt.

Hat das Marketing hierzulande allgemein einen zu niedrigen Stellenwert - etwa im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern?

Diese Länder haben eine andere Tradition, das stimmt. Aber so pauschal würde ich das nicht sagen. Bemängeln muss man hierzulande das isolierte Denken: hier der Vertrieb, dort - streng davon getrennt - die Kommunikation.

Inwieweit hat sich die Situation seit der Finanzkrise (2008) verschlimmert?

Es wird stärker auf die Budgets geachtet, die Gelder werden fokussierter und gezielter eingesetzt. Insgesamt hat sich die Konkurrenzsituation verschärft. Oft werden Dienstleistungen auch aus dem Ausland zugekauft.

Laut "Stepstone" liegt das Bruttojahresgehalt im Bereich Werbung/Marketing/PR im Schnitt bei 38.762 Euro pro Jahr. Wie viel verdienen Ihrer Erfahrung nach Berufseinsteiger mit Hochschulabschluss?

Ich habe bei der BAW 600 Studenten zum Abschluss geführt und kenne die gesamte Spannbreite. Und die reicht von 1000 Euro im Monat – also einem Gehalt auf Praktikantenniveau – bis hin zu 5000 Euro. Es kommt stark auf die Branche an, auf die Größe des Unternehmens und auf die Region. Und natürlich auf Vorleistungen und Zusatzqualifikationen. Der Hochschulabschluss wird als Basis-Qualifikation gesehen. Vor allem in den Agenturen sind die Einstiegsgehälter niedriger.

Wo sehen Sie die Herausforderungen für die Zukunft bzw. mögliche Ansätze, wie die Situation verbessert werden kann?

Bei der Entwicklung eines ganzheitlichen Marketingansatzes stehen viele erst ganz am Anfang. Da gibt es noch großen Nachholbedarf. Die Branche wird bald vor neuen Herausforderungen stehen. Die größte wird der Fachkräftemangel sein. Arbeitnehmer werden sich in Zukunft frei aussuchen können, welchem Unternehmen sie den Vorzug geben. Die Unternehmen müssen daher immer besser werden. Zum Beispiel braucht jede Firma, die Praktikanten einstellt, ein klares Konzept mit Ausbildungsplänen und Zielvereinbarungen. Wichtiger werden Fragen wie: Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es? Bietet mir das Unternehmen die Möglichkeit, Auslandserfahrung zu sammeln? Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit den Beschäftigten. Man braucht die richtigen Leute: Und das sind diejenigen, die übergreifend denken.

Interview: Markus Weber


Autor: Markus Weber

Markus Weber ist seit 20 Jahren Mitglied der W&V-Redaktion. Als Nachrichtenchef ist er für die aktuellen Themen auf wuv.de zuständig. Darüber hinaus ist er innerhalb der Redaktion der Themenverantwortliche für "CRM & Data". Aufgewachsen ist Markus auf einem Bauernhof im Württembergischen Allgäu. Mit fünf Geschwistern.