Interview mit dem Chef von Jung von Matt/Sports:
Raphael Brinkert: "Kein Bayern-Sponsor wird über Rückzug nachdenken"
Über Hoeneß reden alle, aber kaum ein Werber versteht so viel vom deutschen Fußballgeschäft wie Raphael Brinkert. W&V-Redakteur Markus Weber hat mit dem Chef von Jung von Matt/Sports über die Image-Krise beim FC Bayern gesprochen.
Über Hoeneß reden alle, aber kaum ein Werber versteht so viel vom deutschen Fußballgeschäft wie Raphael Brinkert. Der bekennende Schalke-Fan leitet gemeinsam mit Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder und dem früheren HSV-Vorstandsmitglied Katja Kraus Jung die 2013 gegründete JvM-Tochter Jung von Matt/Sports. W&V-Redakteur Markus Weber hat mit ihm unmittelbar nach dem Rücktritt von Uli Hoeneß über die Image-Krise beim FC Bayern und die Rolle der Sponsoren gesprochen.
Herr Brinkert, überrascht Sie der Inhalt der heutigen Hoeneß-Erklärung?
Nein. Mit dem Verzicht auf die Revision hat Hoeneß einen neuen Referenzpunkt für Diskussionen geschaffen. Jede Debatte, jeder Stammtisch oder jedes Gespräch am Kopierer steht nun unter ein und dem selben Stern. Für PR im digitalen Zeitalter gilt: Wenn man es nicht aussitzen kann, muss man der Schnellste sein. Die mediale Berichterstattung wird sich nun erst mal auf die Erklärung von Uli Hoeneß berufen, die von Wörter wie Anstand, Verantwortung, Fehlern und das Akzeptieren von Strafe geprägt ist. Alles Dinge, die positiv konnotiert sind und wenig Interpretation bieten. Mit seiner Erklärung hat er die Deutungshoheit maximiert und Angriffsfläche minimiert. Gute Voraussetzungen, um mittelfristig Modalitäten wie eine Verkürzung der Haftzeit oder Lockerung der Haftbedingungen anzustreben.
Im Fall Hoeneß wird – verständlicherweise – darauf verwiesen, dass man zwischen der Person Uli Hoeneß und dem FC Bayern trennen muss. Aber in den Augen vieler gilt seit 35 Jahren: Uli Hoeneß IST der FC Bayern. Er steht als Person für den Aufstieg, die Entwicklung und den wirtschaftlichen Erfolg des Vereins. Fällt da – von außen - eine strikte Trennung nicht recht schwer?
Dass Uli Hoeneß den FC Bayern wie keine zweite Person vor ihm geprägt hat, steht außer Frage. Allerdings profitiert der Verein heute mehr denn je von einer Vielzahl medial relevanter Persönlichkeiten. Und mit Matthias Sammer wurde zudem eine konsequente Nachfolgereglung der Abteilung Attacke getroffen - seine Aussagen erregen im Handumdrehen Aufsehen, wie man jüngst bei der Diskussion um Trainingsmentalitäten anderer Clubs gesehen hat. Das Interesse an Pep Guardiola ist selbstredend. Dazu kommt die Champions League und klar: die bevorstehende WM, wo naturgemäß viel über Konstellationen und Spieler-Nominierungen spekuliert wird. Mit anderen Worten: Trennung – nein! Temporäre mediale Überschattung – ja.
Der FC Bayern steht wie kein anderer Verein für sportlichen Triumph, wirtschaftlichen Erfolg und Glamour – alles was man sich wünscht. Wird das Image des Vereins unter Hoeneß‘ persönlichem Desaster in irgendeiner Form leiden?
Der FC Bayern hat früh die Bedeutung von strategischer Markenführung erkannt und diese Erkenntnisse grenzübergreifend operationalisiert. Der FC Bayern ist auf dem besten Weg zur absoluten Weltmarke. Das bedeutet nicht, dass der Heimatmarkt unwichtig wäre. Es bedeutet lediglich, dass der Betrachtungsradius ein sehr viel größerer geworden ist. Mit der Verfehlung des Präsidenten hat der Club eine empfindliche Niederlage eingesteckt. Ein negativer Image-Transfer ist aufgrund des konsequenten Rücktritts von allen Ämtern jedoch solange nicht zu befürchten, wie die Versäumnisse rein privater Natur sind.
Wie nachhaltig wäre ein möglicher Imageschaden?
Nicht nachhaltig – siehe oben.
Glauben Sie, dass die Großsponsoren jetzt irgendein Problem für sich sehen?
Im Gesamtkontext wird die Marke FC Bayern aus Fan-Sicht nicht vom Präsidenten, sondern in erster Linie von den aktiven Repräsentanten erlebt: den Spielern, dem Trainerstab und dem Sportvorstand. Diese Leistungen kaufen Sponsoren ein und von dieser Leistung sind alle Sponsoren des FC Bayern derzeit zu Recht sehr angetan. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass auch nur ein Sponsor ein Sekunde über einen Rücktritt nachdenkt.
Was hat Sie in den letzten Tagen am meisten überrascht?
Ehrlich gesagt nur das extrem positive Echo in den sozialen Netzwerken nach der heutigen Erklärung. Es dürfte das erste Mal sein, dass aus einem Shitstorm binnen weniger Stunden eine Respekt-Welle wurde.