Kolumne von Norbert Möller:
Thinking on Design: Warum wir Fotografen wieder wertschätzen sollten
Noch nie konnten Kreative unter so vielen Fotos auswählen wie heute. Stockarchive und Online-Plattformen bieten alles, was das Herz begehrt. Dabei vergessen wir manchmal, wie einzigartig die Bilder professioneller Fotografen sind - und wie unverwechselbar sie eine Marke machen.
Seit dem 12. Januar habe ich einen neues Hintergrundbild auf meinem iPhone. Dieses Motiv habe ich mir jetzt mittlerweile sicher schon 5.000mal angeschaut. Ich brauche immer sehr lange, bis ich mich für ein Motiv entscheide, von dem ich glaube, dass es mich nicht nervt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sich viele meiner Mitmenschen für Familienbilder entscheiden. Macht ja auch Sinn, man ist viel unterwegs und freut sich einfach jedes Mal, seine Liebsten zu sehen.
Mein Foto hingegen ist der Schnappschuss eines Fotos der Fotografenikone Albert Watson, das ich 2013 in der Ausstellung "Visions" aufgenommen habe. Die Ausstellung damals in den Deichtorhallen in Hamburg hat mich umgehauen: Watson hat jeden Prominenten der Kultur- und Popszene fotografiert, den man sich vorstellen konnte. Ich war davon fasziniert, welche Intensität schwarz-weiße Fotografie haben kann, wie raffinierte Komposition und außergewöhnliche Lichtführung mich förmlich in die Bilder hineinziehen.
Warum ich das schreibe? Weil mir andererseits auch immer öfter auffällt, wie stark die Wertschätzung der Fotografie in unserem Business abgenommen hat. Alles ist irgendwie schnell und günstig verfügbar. Wir recherchieren für unsere Kunden in Stockarchiven nach rechtefreien Bildern, der Inhalt ist eigentlich egal, Hauptsache sie sind bunt. Dagegen steht die Kunst eines Albert Watson und die Erkenntnis, wie ausdrucksstark Bilder sein können. Gerade schwarz-weiße Bilder, die durch Ihre Farbreduktion im Prinzip alles entlarven – Komposition, Licht, Inhalt, Motiv.
Ich glaube, wir müssen hochwertigen, unverwechselbaren Bildern wieder eine höhere Relevanz zukommen lassen: Ja, Bilder vereinfachen die Kommunikation – aber wenn sie nicht authentisch, sondern inhaltsleer sind, wenn sie nur noch dekorieren statt Haltungen zu kommunizieren, sind sie doch irgendwie redundant. Daher, liebe Unternehmen: Spart nicht an Bildern, sondern macht euch bewusst, dass eigenständige Fotografie dabei hilft, euch im Markt unverwechselbar zu machen.
Wenn ich auf den Knopf meines Telefon drücke, sehe ich David Bowie, ernst mit einem gedankenverlorenen in sich gekehrten Blick. Auf seinem Kopf trägt er eine Kiste mit einem Auge. Im Glas des Bildes spiegelt sich schemenhaft meine Kontur beim Fotografieren. Ich bin natürlich nicht mit ihm verwandt, aber er hat mein Leben begleitet. Ich glaube, eine Weile kann ich mir das Bild noch anschauen.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.