Kleine, fiese Schwestern

Den Ursprung des Problems erkennt Vogler in der oligopolistischen Anbieterstruktur. Zitat: "Die sechs großen Agenturholdings bestreiten davon mit 60 Prozent den Löwenanteil." Gemeint ist ihr Anteil an den nationalen Werbeaufwendungen. Das, lieber Paul, ist falsch. Die Situation ist viel dramatischer als von dir beschrieben. Alleine die vier größten Agenturholdings sind verantwortlich für fast 80 Prozent der Kundenspendings. Oligopole sind nichts weiter als die kleinen, fiesen Schwestern des bösartigen Monopols.

Wichtiger aber ist, Paul Vogler hat sich Gedanken darüber gemacht, welche Auswege sich Kunden aus der Übermachtstellung der Mediaagenturen bieten. Er empfiehlt, den "gordischen Knoten" durch die Trennung von Strategie und Einkauf zu durchschlagen. Damit bin ich nicht ganz einverstanden. Es hat sich bereits als historischer Fehler erwiesen, Media von Kreation zu trennen. Dies war und ist bis heute einer der vielen Gründe, warum die Wirkung der meisten Kampagnen nachlässt und die Kunden immer lauter nach dem ROI rufen.

Darin liegt schon deshalb nicht die Lösung, weil die einkaufende Mediaagentur dann erst recht gezwungen würde, neue Erlösquellen zu suchen. Sie haben in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass sie darin cleverer sind, als Medien und Kunden zusammen. Außerdem würde dann die strategische Agentur an das Kundenmarketing berichten, die einkaufende an das Procurement. Diesen täglichen Kriegsschauplatz möchten wir uns in unserer blühendsten Phantasie nicht vorstellen.

Immer auf die Kleinen

Voglers zweiter Lösungsvorschlag klingt zunächst praktikabler. Er stellt sich eine Software vor, mit deren Hilfe Kunden die einzelnen Stufen des Mediaprozesses - Strategie, Planung, Einkauf, Abwicklung - bearbeiten und optimieren können. Problem nur: Damit könnten höchstens die größten Kunden im Markt umgehen. Nur sie besitzen dazu das erforderliche Know-how und Ressourcen. Die Verlierer wären erneut die mittleren und kleinen Kunden, die heute bereits die Loser und Gelackmeierten des Mediasystems sind.

Tatsächlich ist hierfür die überlegene Variante, zumindest für die größten Kunden des Landes, den Einkauf selbst in die Hand zu nehmen - und sich bei der Entwicklung der Mediastrategie eines externen Beraters zu bedienen. Diesen Weg gehen inzwischen immer mehr Unternehmen. Doch auch damit ist das Problem für 98 Prozent der Kunden, die wir zu den mittleren und kleinen zählen, leider nicht gelöst.

Deshalb antwortet Kollege Vogler auf die Frage, ob das die Gründung neuer Mediaagenturen bedeuten könne, mit "Ja, absolut." Hier kann ich ihm endlich und uneingeschränkt zustimmen. Die einzige Lösung des Problems, das wir den börsennotierten und Holding-getriebenen Mediaagenturen zu verdanken haben, liegt in der Entwicklung eines neuen Agenturtypus. Neue Mediaagenturen, die einzig und alleine die Marketingziele und Interessen ihrer Kunden verfolgen, die Freude daran haben zum Marketingerfolg ihrer Kunden beizutragen - und dafür auch entlohnt werden. Das wäre der Ruck durch Medialand, den wir dringend brauchen.

Das hätte schon vor zehn Jahren passieren können und müssen. Doch nach wie vor ist eine solche Neuorientierung nicht in Sicht. Aber auch hierauf hat Paul eine Antwort: "Wahrscheinlich ist das nur eine Frage der Zeit." Ich freue mich drauf. Unser Markt hätte es verdient.

* Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, Wirtschaftswoche-Kolumnist, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt für W&V. Er ist "Mr. Media".


Autor: Thomas Koch

Eine Ikone der Branche. Der Agenturgründer und frühere Starcom-Manager kennt in der Media-Branche alles und jeden. Thomas Koch ist Mr. Media.