Essay:
15 Jahre Messen für Digitales Marketing: Ein Blick zurück – und einer nach vorne
Thomas Woywod war einer der Gründer des Dmexco-Vorläufers OMD. Für W&V blickt er auf die wilden Anfangsjahre zurück und wagt eine Prognose für 2024.
Thomas Woywod war einer der Gründer des Dmexco-Vorläufers OMD. Für W&V blickt er auf die wilden Anfangsjahre zurück und wagt eine Prognose für 2024.
Wir schreiben das Jahr 1999. Laut IDC sind gerade mal 7,3 Prozent aller Deutsche online. In Island waren es laut dieser Studie im selben Jahr bereits 45 Prozent. Einer andere Studie von Networks Wizard zufolge waren in Deutschland 876.000 Hosts im Einsatz (dies entspricht 10,7 Hosts/1000 Einwohner). Heute sind es 9.579.073 (Stand 21.08.14). Jupiter Communications ging von steilen Wachstumsraten für den Werbemarkt im Internet aus und bezifferte die für 2000 erreichbare Marktgröße mit 662 Millionen Mark. 1999 wurde die millionste .de-Domain registriert.
Ich habe die Zahlen aus meinen Aufzeichnungen von 1999 wiederentdeckt. Verglichen mit den Zahlen von 2013 waren das wohl bescheidene Größenordnungen. Aber, 1999 war die absolute Hochzeit des „Neuen Markts“, der sich ja bekanntlich nur ein Jahr später auf Talfahrt begab.
Nun, was war das Konzept von 1999. Meine Analyse der Marktsituation war in drei Punkten zusammengefasst: 1 hohe Dynamik, 2. schnelle Veränderungen, 3. geringe Markttransparenz. Von diesen Punkten ausgehend war die einzig richtige Schussfolgerung, dass nur ein Marktplatz wie eine Messe für ausreichende Kommunikation und Markttransparenz sorgen kann. Und - damals gab es weltweit noch keine Messe für diesen Markt. Durch die Etablierung einer solchen Leitmesse wäre man also weltweiter Pionier und hätte ein Konzept, welches sich global multiplizieren ließe. Auf der Anbieter- und Nachfrager-Seite kamen aus damaliger Sicht nur „die üblichen Verdächtigen“ in Frage: die Portal-Anbieter einerseits und die Werbetreibenden andererseits. Damals hatte ich noch eine Kategorie „Content-Anbieter“ in der Konzeption. Vielleicht wird das ja noch was im Zuge des sich entwickelnden Marktes für Content-Marketing.
Die Ausstellerkategorien waren wie folgt unterteilt: Portale, Medien, Vermarkter, Online-Shops, Verzeichnisse und Zugangsanbieter (wie AOL, Compuserve, ...)
Als Zeitpunkt für die erste Messe war frühestens der September ´99 bzw. spätestens der Dezember ´99 vorgesehen. Die Messe sollte einmal im Jahr stattfinden und zwei bis drei Tage dauern. Ebenfalls bereits im Konzept von ´99 war ein „attraktive Rahmenveranstaltung“ – der Grundstein für die „berühmten“ OMD-Parties.
Sicher ist es interessant mit dem Blick zurück nach vorne zu schauen. Inzwischen hat sich die aus der OMD hervorgegangene Dmexco als Leitmesse etabliert. Auch hat sich die Dmexco weitere wichtige Kategorien in der Aussteller-Nomenklatur erarbeitet und aus dem ursprünglichen „Online-Marketing“ inzwischen das Thema „Digitalmarketing“ entscheiden mitgestaltet.
Ich hätte mir mit Blick zurück noch einen mutigeren Ansatz gewünscht und von Anfang an nicht nur auf die damals sehr dominanten Vermarkter-Unternehmen gesetzt. Dadurch ist sicher die Chance vergeben worden, die Messe frühzeitig international zu etablieren.
Ich muss aber auch den damaligen Entscheidern danken, die sich des Risikos, eine solche Messe zu starten, bewusst waren. Allen voran war dies damals die Chefs und Gesellschafter der Igedo (der damals wichtigsten Modemesse in Düsseldorf). Einer der damaligen Geschäftsführer hieß Gerald Böse. Manfred Kronen und Gerald Böse waren von der Idee, eine „textilfreie“ Messe zu machen, begeistert. Ein Termin Ende ´99 erschien aber dann zu ehrgeizig, so dass die erste Online Marketing Düsseldorf tatsächlich erst 2000 stattfand.
Ich hatte damals Kontakt zu der Vermarktungsgesellschaft von ProSieben, die zusammen mit RTL alljährlich die Telemesse in Düsseldorf veranstalteten. Unsere Überlegung war, die OMD auf den selben Termin wie die Telemesse zu legen, um den Entscheidern der werbetreibenden Wirtschaft parallel zum Medium TV das Medium Internet nahezubringen.
Tatsächlich gehört gerade den Kollegen und Entscheidern dieser beiden Vermarktungsgesellschaft die Ehre, entscheiden für den Erfolg beigetragen zu haben. Die erste OMD fand 2000 tatsächlich mit einem Tag Überlappung zeitgleich mit der Telemesse statt.
Claus Bühs, der damals den Kontakt zur Igedo herstellte und von Anfang an bei der Konzeptentwicklung dabei war, hatte die sehr gute Idee, neben der eigentlichen Messe eine Art Kongress zu veranstalten. Dies hat sich bis heute bewährt.
Was nicht erzählt werden soll, ist, wer am Anfang gegen eine solche Messe war und sich heute nicht mehr darin erinnert. Was aber berichtenswert ist: Im Medienumfeld haben sich gerade die Zeitungsverlage schwer getan. Das Versäumnis, die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben, wirkt bis heute schwer nach.
Die Dmexco ist auch in diesem Jahr noch größer, noch umfangreicher, noch kompetenter und sicher wieder noch erfolgreicher. Hierzu ein großes Lob an den Chef der Messe Köln, Gerald Böse, der schon damals „den richtigen Riecher“ hatte. Von meiner Seite also „Mit den besten Wünschen zum weiteren Erfolg“.
Aber – geht es weiter so? Wird sich die Messe weiter entwickeln und wenn ja, wohin?
Nun, bereits 2005 war klar, dass „the next big thing“ in der Medienkonvergenz liegt. Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, der eigentlich eine isolierte Messe für ein Medium überholt erscheinen lässt. Mit dem Markteintritt von Netflix, Hulu oder VoD-Angeboten wie Amazon Fire ist klar, Menschen wollen selbst bestimmen wo, wann und wie sie Content konsumieren.
Mein Ausblick für die nächsten fünf bis zehn Jahre:
1. Eine Medien-Messe ist notwendig
2. Der nächste Schritt ist eine integrierte Messe für alle Medien, um konvergierende Angebote darstellen zu können
3. Der CMO von Procter & Gamble hat dieses Jahr das Ende von Marketing „so wie wir das kennen“ ausgerufen. Marketing-Organisationen werden sich dramatisch ändern. Kampagnen werden künftig nicht medienspezifisch geplant und umgesetzt, sondern auf das Medienverhalten und die Bedürfnisse der Konsumenten abgestimmt.
4. Singuläre Vermarkter haben daher keine Zukunft
5. Die Zukunft gehört den Anbietern von 360°-„Leinwänden“ über alle Medien, um Konsumenten überall, zu jeder Zeit, im gewünschten Maß und mit den gewollten Inhalten zu erreichen.