
Messe:
Warum überhaupt zur Cebit fahren? - Umfrage unter Agenturchefs
Am 10. März beginnt die Cebit in Hannover. Früher war die Messe ein absoluter Pflichttermin für alle Onliner. Heute sind die Meinungen der Agenturchefs über die internationale Relevanz der Cebit durchaus geteilt. Eine Exklusiv-Umfrage von W&V Online.
Am 10. März beginnt in Hannover die Cebit. Früher war die Messe ein absoluter Pflichttermin für alle Onliner. Doch vieles hat sich mittlerweile verändert, es gibt eine große Zahl von konkurrierenden Veranstaltungen. Heute sind die Meinungen unter Agenturchefs deshalb durchaus geteilt. Für manche bleibt die Cebit weiterhin ein "absolutes Muss". Für andere ist die "Geräteschau" in Hannover international längst nicht mehr so relevant wie sie es früher einmal war.
W&V Online hat sich unter deutschen Agenturchefs umgehört. Das sind ihre Meinungen zur Cebit.
Alexander Diehl, Managing Partner KKLD:
"Global gesehen ist die Cebit wenig relevant. Die fast zeitgleich stattfindende SXSW läuft ihr klar den Rang ab. Veranstaltungen wie die Techcrunch Disrupt, LeWeb und echte Opinion Leader Konferenzen wie TED oder Brooklyn Beta dominieren nicht nur inhaltlich, sondern auch medial. Eine relevante Cebit wäre für Deutschland und Europa wichtig, aber leider kommt die Reorientierung auf Start Ups und disruptive Services um Jahre zu spät und ist auch inhaltlich nicht konsequent genug. Es ist völlig richtig, die bisherige Geräteschau abzulösen und sich auf das Fachpublikum zu konzentrieren, weil neue Gadgets längst überall auf der Welt und meistens früher vorgestellt werden als in Hannover. Außerdem geht es längst nicht mehr um das neueste Metall und Plastik, sondern vielmehr darum, was wir mit dieser Technik anfangen und wie sie sinnvoll eingesetzt wird. Für viele Konsumenten stellt sich eben nicht die Frage nach der Zahl der Prozessorkerne, sondern danach, wie sie am einfachsten und günstigsten an für sie relevante Inhalte, Produkte oder Dienstleistungen kommen. Die Cebit muss schnell Anschluss finden an das Tempo und das Niveau der globalen Diskussion. Dann ist sie auch wieder relevant."
Jan Bach, Geschäftsführer Syzygy Deutschland:
"Voraussetzung für die Teilnahme an Messen ist die Aussicht auf qualifizierten Traffic und hochwertige Neukontakte. Bei rund 3.500 Ausstellern ist die Gefahr groß, in der schieren Masse unterzugehen. Anders sieht es dagegen aus, wenn man als Kooperationspartner am Stand großer Player der Digitalindustrie vertreten sein kann. Im vergangenen Jahr haben wir diese Chance genutzt: Als „Microsoft Partner Gold Application Development“ haben wir am Stand von Microsoft unsere Leistungen auf dem Gebiet von Windows8-Apps vorgestellt. Durch diese sehr fokussierte Produkt- und Lösungsorientierung wird für alle Beteiligten ein konkreter Mehrwert geschaffen - bei angemessenem Aufwand. In diesem Jahr bietet sich diese zwar Gelegenheit nicht; als Besucher werde ich die CeBIT jedoch zum Networking nutzen und bereits im Vorfeld vereinbarte Termine mit bestehenden und potenziellen Partnern und Kunden wahrnehmen."
Philipp Wittgenstein, Managing Director Fork Unstable Media:
"Als Geschäftsführer einer Digital-Agentur erschließt sich mir der Sinn, zur CeBit zu fahren, nicht wirklich. Hinfahren würde ich, wenn ich Termine mit Kunden hätte, die ich nur dort treffen kann. Aber nicht, um dort Neues zu entdecken. Die wichtigsten Trends, die auf der Website der CeBIT angegeben werden, sind Big Data, Social Business, Mobile und Cloud. Alles sicherlich spannende Themen. Aber nichts, womit wir uns nicht ohnehin schon in unserem Arbeitsalltag beschäftigen. Und richtig neu sind die genannten Themen für uns auch nicht. Bei Fork Unstable Media verfügen wir bereits über ein Netzwerk an Spezialisten, die sich intensiv mit diesen neuesten Entwicklungen beschäftigen. Deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass uns die CeBit wahnsinnig viele neue Erkenntnisse offenbaren würde. Meines Erachtens gibt es bessere Veranstaltungen – wie die SXSW in Texas oder die Republica in Berlin."
Stephan Horvath, President Draftfcb München:
"Neben der CES in Las Vegas sehe ich die CeBIT, die nun stärker auf den Business-Besucher setzt, nach wie vor als Leitmesse. Das Thema der CeBit 2014 lautet „Datability". Das Wort wird gebildet aus „Data" und den Wörtern ‚ability’, ‚sustainability’ sowie ‚responsibility’ und steht für die Frage, wie große Datenmengen nachhaltig und verantwortungsvoll genutzt werden können. Am Flughafen, im Büro, beim Arzt und im Internet: Überall werden digitale Daten gesammelt und analysiert – mit dem Ziel, den wirtschaftlichen Erfolg voranzutreiben. Mich interessieren Systeme, um diese riesigen und wachsenden Datenmengen sicher zu schützen. So bietet Tento Technologies mit „Tento-Token" Plastikkarten, um Einwegpasswörter zu erstellen: Anhand einer Karte lassen sich bis zu drei Millionen Passwörter generieren. Für uns als CRM-Spezialisten bietet die CeBIT dieses Jahr mit dem neuen Forum für CRM eine gute Gelegenheit, sich einen Überblick über die neuesten technologischen Trends zu verschaffen. Anbieter und Anwender können sich austauschen und Fachvorträge stellen Praxisbeispiele vor."
Marcus Reiser, Geschäftsführer 21Torr:
"Natürlich hat die CeBIT nach wie vor ihre Berechtigung, für uns hat sie allerdings aktuell keine große Bedeutung – darin ist sie ein Stück weit zum Opfer ihrer ureigenen Themen geworden. Man braucht eigentlich keine Messe mehr, um sich über Produkte und Neuheiten zu informieren – dafür hat das Internet gesorgt, oder genauer: der technologische Wandel in allen Informationstechnologien. Viele der auf der CeBIT vorgestellten Lösungen und Technologien sind inzwischen virtuell, und damit reduziert sich auch ein Stück weit die Daseinsberechtigung der Messe. Das ist anders, wenn man zum Beispiel im Bereich Hardware unterwegs ist und hier direkten Kontakt sucht und braucht. Für uns rechnet sich der Aufwand für einen Messebesuch nur dann, wenn wir dabei Termine mit Geschäftspartnern machen, die wir sonst selten treffen können, oder zu einer konkreten Fragestellung umfassend recherchieren wollen. Speziell zu Themen, die für uns als Agentur von Bedeutung sind – Content-Management etwa, Online-Marketing oder mobile Applikationen –, ziehen wir andere Veranstaltungen wie die Internet World, die Kölner dmexco oder spezifische Fachkongresse vor."
Christian Rätsch, CEO Saatchi & Saatchi:
"Auch in diesem Jahr werden die großen Player wie Deutsche Telekom, IBM, Microsoft oder SAP die CeBit maßgeblich dominieren – Big Data, Mobile Payment, Collaboration, Virtualisierung und Cloud Services werden dabei im Vordergrund stehen. Auch neue Geräte wie das Samsung Galaxy Note 10.1 mit LTE und neue Anwendungen für Google Glas werden für Spannung sorgen. Schon alleine wegen dieser Trends und Innovationen lohnt es sich die Messe in Hannover zu besuchen. Doch für mich als Werber gibt es noch einen wichtigeren Grund, warum ich allen Marketiers nur wärmstens empfehlen kann, ein oder zwei Tage auf der Messe zu verbringen: Künftig wird sich das Marketing wesentlich abhängiger von der IT entwickeln und der CMO wird zu einem strategischen ‚Kunden’ seiner eigenen IT-Abteilung werden. Darauf muss der ‚CMO der Zukunft’ vorbereitet sein. Er muss wissen, welche Themen und Ziele er setzen will. Denn: Nur wer neue Technologien und Marketingstrategien miteinander verknüpfen kann, wird sein Unternehmen zukunftsfähig ausrichten. Die CeBit ist eine der wenigen Events, wo sich Marketiers essenzielle Kenntnisse schnell und im direkten Gespräch mit den Anbietern aneignen können."
Felix Heimbrecht, Director Innovation Sapient Nitro:
"Informationen über technische Innovationen bekommt man heutzutage häufig über gute Newsletter und Blogs schneller als auf einer Messe. Der Vorteil der Cebit ist aber, dass Marketingverantwortliche vor Ort ihre Finger an den Puls der aktuellen Entwicklung legen können und ein Gespür für Trends und Stimmungen bekommen. Das ist wichtiger als je zuvor, weil wir uns in einer Phase befinden, in der eine erhebliche technologische Dynamik dem digitalen Marketing neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnet – es aber auch vor ganz neue Herausforderungen wie beispielsweise Datensicherheit stellt. Das Internet der Dinge, über zwei Jahrzehnte lang nur ein Schlagwort, entsteht genau jetzt. Schnelle Netze, Cloud-Lösungen, Big Data, Home Automation und neue Endgeräte wie Smartglasses und Smartwatches waren lange Zeit Science Fiction und werden jetzt Realität. Erfolgreiche neue Technologien führen mehr denn je auch zu neuem Nutzerverhalten – erfolgreiches kreatives Marketing ist daher ohne ein frühzeitiges und tiefgreifendes Verständnis der technischen Trends gar nicht mehr möglich."