Zukunft des Journalismus:
Bürgerreporter, Content Marketer, Blogger: Wer sitzt künftig in Redaktionen?
Investigativ-Journalist David Schraven ist überzeugt, dass mehr "normale Bürger" als Journalisten arbeiten müssen. "RP"-Manager Oliver Halvat empfiehlt Redakteuren das Maximum an Vernetzung. Und die Entwicklung zeigt viele Mischformen wie etwa Content Marketing.
Wohin geht der Journalismus? Gleich mehrere Beiträge befassen sich gerade mit dieser Frage. Darunter ein Stück des "Medium Magazins". Dort zeigt sich Investigativ-Journalist David Schraven überzeugt, dass mehr "normale Bürger" als Journalisten arbeiten können und auch müssen. "In etlichen Regionen - gerade in kleinen Dörfern ohne eigene Lokalzeitungen - wird es nicht mehr möglich sein, die ökonomischen Voraussetzungen zu schaffen, Berufsjournalisten zu beschäftigen", sagt Schraven in einem Gespräch des Branchentitels .
Mit seinem Recherchebüro Correctiv will er verstärkt Bürger zu Journalisten weiterbilden - ein Modell, das Journalistik-Professor Klaus-Dieter Altmeppen von der Uni Eichstätt-Ingolstadt indes scharf kritisiert. "Sie entwerten den Beruf, wenn Sie so vorgehen", antwortet er Schraven. Dieser stellt klar: "Wir wollen keine 'Leserreporter', die ahnungslos Sachen beschaffen. Wir wollen den Leuten helfen, sich echte Informationen zu beschaffen, und sie deshalb sinnvoll ausbilden." Diese Bürgerjournalisten seien eine Ergänzung des jetzigen Systems - kein Ersatz für Zeitungen oder gebührenfinanzierte Sender. "Correctiv" glaubt nicht, dass Journalismus immer Hauptberuf sein muss. "Journalismus kann jeder machen, ohne den Fokus auf die ökonomischen Aspekte zu setzen, sondern mit Blick auf die gesellschaftliche Verantwortung der Berufung", so Schraven im "Medium Magazin". Seine Thesen werden bereits breit diskutiert:
“Jeder kann Journalismus” – “stimmt nicht”! / “Correctiv”-Gründer Schraven und Journalistik-Professor Altmeppen… http://t.co/12wOsWVQwn
— mittelstandcafe (@mittelstandcafe) May 5, 2015
.@David_Schraven : Journalismus = 4. Gewalt. Glaubt nicht, dass es in 10 Jahren noch gedruckte Tageszeitung gibt. #rp15 @correctiv_org
— Stefan Primbs (@meine_zeitung) May 5, 2015
Politische Debatte nötig: Wie kann Journalismus als gemeinnützig anerkannt werden? @David_Schraven @correctiv_org #rp15
— Holger Hank (@HolgerHank) May 5, 2015
Doch wer behält den kritischen Überblick, wenn nicht ausgebildete Journalisten? Altmeppen sieht beim Blick auf soziale Medien vielfach mangelnde Kompetenzen, Meinungen darzustellen und zu debattieren. Jeder sei im Netz anderer Meinung und könne seinen Unsinn schreiben: "Schauen Sie sich die langen Posts auf Facebook an: Die Themen werden zerredet, irgendwann kippt das Thema komplett. Das soll die Lösung sein?"
Dort, im Social Web fit zu sein – das legt gerade Oliver Halvat den Journalisten nahe. Auch um selbst am Ball zu bleiben. Der Leiter der Digitalredaktion der "Rheinischen Post" sagt dem Osk-Blog, es genüge nicht mehr, ein guter Autor zu sein, um als Journalist Erfolg zu haben. Journalisten müssten alle Medienkanälen bespielen: "Man muss nicht nur gut schreiben können. Diese Zeiten sind vorbei. Erstens, weil es immer mehr darauf ankommt, nicht nur in Texten seine Inhalte zu vermitteln, sondern auf jeweils unterschiedliche Art und Weise, beispielsweise auch in Videos. Und zweitens, weil es immer mehr darauf ankommt, im Gewitter der News, Schlagzeilen, Inhalte, Mails, Tweets und Posts, das beständig auf die Menschen herniedergeht, hörbar zu werden und zu bleiben. Journalismus wird also immer mehr auch zu der Kunst, sich selbst, sein Thema, sein Medium und seine Inhalte zu vermarkten", betont der Journalist.
Über "das" Finanzierungsmodell der Zukunft kann Halvat unterdessen keine eindeutigen Aussagen machen – außer, dass es viele sein werden und jedes Unternehmen/jeder Journalist seine passende Geldquelle finden müsse. Immer mehr Verlage und auch die Unternehmen selbst schaffen sich etwa ein Standbein im Content Marketing – im geschickten redaktionellen Verkleiden der werblichen Botschaften. Auf dem Weg dorthin gibt es aber viele Stolperfallen, die dann durchaus auch mal als "Schleichwerbung" bezeichnet werden. Wie der "Journalist" enthüllt. In der aktuellen Ausgabe beschäftigt sich das Medienmagazin mit der Frage: Wo hört unabhängiger Journalismus auf und wo fängt abhängiger Journalismus an? Einige namhafte Medien sind dabei durchgefallen. Hier finden sich Beispiele.
Für mehr Transparenz und Wissen um das Netzwerk eines Journalisten macht sich jetzt übrigens Torial stark, eine Münchner Plattform für Journalisten-Profile. Für diese gibt es ab sofort eine freiwillige Selbstauskunft. Unter torial.com können Journalisten freiwillig eintragen, wer ihre Auftraggeber der letzten drei Jahre waren, welche Einkünfte aus diesen Aufträgen erzielt wurden, welche Bindungen an Unternehmen, Interessengruppen oder Vereinen bestehen - oder gar Mitgliedschaften. Auch Unternehmensbeteiligungen können offen gelegt werden.