Kauder hatte sich schon in früheren Wortmeldungen kritisch bis skeptisch zum Leistungsschutzrecht geäußert. Nun gibt er sich endgültig als klarer Gegner zu erkennen. Er stellt den Anspruch der Verlage grundsätzlich in Frage: „Der Gesetzgeber muss auch die Frage beantworten, warum gerade für Presseverlage ein Leistungsschutzrecht eingeführt werden soll, nicht aber für gleichwertige Informationsanbieter. Wo ist die Rechtfertigung für die Priviligierung der Presseverlage?“

In die gleiche Kerbe wie Kauder schlägt zeitgleich der Der Verband der Internetwirtschaft (ECO). Er veröffentlichte heute in in Zusammenarbeit mit Google erstelltes Rechtsgutachten, das mit den gleichen Argumenten die Verfassungskonformität des Gesetzesvorhabens anzweifelt.

Der Vorstoß Kauders, der von seiner Partei für die kommenden Wahlen nicht mehr als Bundestagskandidat aufgestellt wurde, ist bemerkenswert. Denn Kauder sollte aus Sicht der Regierungsfraktionen als Vorsitzender des Rechtsausschusses eigentlich eine Schlüsselrolle für die Verabschiedung des geplanten Gesetzes einnehmen. Kurz auf der Schlussgraden schießt nun der als Querdenker bekannte Schwabe quer und fährt das größte denkbare Geschütz auf: Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens. Damit zwingt Kauder seine Parteifreunde möglicherweise, noch einmal weiteren Anhörungen in den Ausschüssen zuzustimmen. Das würde das Gesetzesvorhaben weiter verzögern. Doch je länger sich der Prozess hinzieht, desto unwahrscheinlicher wird eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode.

Die Streichung von der Tagesordnung des Bundestags am Donnerstag hat auch mit einem Formfehler zu tun, den die Opposition aus SPD, Grünen und Linken ausnutzen konnte. Da zwischen der geplanten zweiten Lesung im Parlament und der letzten Ausschussberatung keine 48 Stunden gelegen hätten, hätten alle Fraktionen zustimmen müssen. So konnten die Gegner den Gesetzentwurf wieder von der Tagesordnung kippen.

Um das Leistungsschutzrecht wird seit über vier Jahren gerungen. Die deutschen Verleger wollen, dass Suchmaschinen und andere Aggregatoren, die Artikelanrisse sammeln und bündeln, künftig eine Lizenz erwerben müssen. So könnte zum Beispiel der Axel-Springer-Verlag von Google Geld fordern, wenn in Google-News mehr als nur Link und Überschrift eines Welt-Artikels steht. Einen solchen Rechtsanspruch will vor allem Google unbedingt verhindern. Auch die Internetverbände und der Bundesverband der deutschen Industrie lehnen das Gesetz strikt ab.


Autor: Thomas Nötting

ist Leitender Redakteur bei W&V. Er schreibt vor allem über die Themen Medienwirtschaft, Media und Digitalisierung.