Kommentar von Jochen Kalka:
Ihr wollt Qualitätsmedien sein?
Da ist es wieder, das Klischee von den sensationslüsternen Medien. Leider nicht ganz zu Unrecht. In der Berichterstattung über die Germanwings-Katastrophe haben auch so genannten Qualitätsmedien versagt. W&V-Chefredakteur Jochen Kalka über den fahrlässigen Umgang mit dem Absturz.
Es ist traurig, entsetzlich, enttäuschend. Nach wie vor gehen so viele Medien fahrlässig mit dem grausamen Flugzeugabsturz um. Sie schreiben und berichten etwa von einem "Selbstmörder". Sorry, liebe Kollegen, aber das ist kein Selbst-Mörder, sondern, wenn die Recherchen überhaupt stimmen, ein Massenmörder. Einer, der 149 Menschen auf dem Gewissen hat. Und es ist völlig egal, was er für einen Hintergrund hat, was für Motive und wie er aussieht. Um ihn geht es nicht.
Dennoch zeigen einige Medien, darunter natürlich "Bild", den mutmaßlichen Mörder. Am schlimmsten geht ein sogenannter Mediendienst mit dem Thema um und zeigt mehrfach den Mörder – wie er von anderen, vor allem britischen Medien abgelichtet wurde. Zynischer kann man über solch ein Thema kaum berichten.
Ganz schlimm auch der mediale Umgang mit den Angehörigen der Opfer. Muss man Eltern, Partner und Mitschüler filmen? Etwa, wenn sie die grausige Nachricht gerade am Flughafen erfahren haben? Muss man sie in ihren schlimmsten Minuten und Stunden mit den Kameras begleiten, um die emotionalsten Momente aufzusaugen? Auch wenn vereinzelt Sender die Personen gepixelt haben, so wurden die Kameras gleich schweren Waffen den unter Schock stehenden Menschen an den Kopf gehalten.
Noch etwas: Muss wirklich jedes Medium seinen Senf zu diesem Unglück abgeben? Muss das "Handelsblatt" in seinem Morning Briefing unterirdische Fantasiesätze gleich einem Live-Bericht aus dem Flugzeug schreiben wie etwa "Wir hören zwei Babys schreien"? Oder muss ein Nachrichtenkanal am Tag der Katastrophe wörtlich sagen, dass der Kurs von Lufthansa "abgestürzt" sei? Das macht man nicht.
Wir haben uns bei W&V Online dazu entschlossen, ganz bewusst auf Berichterstattung zu diesem Unglück zu verzichten. Doch wir sehen es als unsere Pflicht an, Medien auf ihre Verantwortung hinzuweisen.