
Cannes-Eindrücke: Last Exit Martinez
Bevor am Samstag das Festival offiziell schließt, suchen die Werber an der Croisette zum letzten Mal nach dem Geheimnis von Cannes und finden es nicht.
Ein Stündchen bei DDB, zehn Minuten Leo Burnett, dann war da noch die Japaner-Party. Freitagabend geht es traditionell hektisch zu in Cannes. Viele Werber verlassen Samstag die Stadt, wenn das Werbefestival offiziell schließt. Und die, die bleiben, wollen ein letztes Mal spüren, was geht, bevor sie Samstagabend das International Advertising Festival gediegen bei der offiziellen Closing Gala nach den Film Awards ausklingen lassen. Davor lockt die Droge Cannes.
Viele deutsche Werber hat es Freitagabend noch zum Empfang des Art Directors Club Deutschland gezogen, der zum Aperitiv an den Long Beach geladen hatte. rtv, Sponsor des ADC-Empfangs, hatte unter den Gästen T-Shirts verteilt, auf denen Sätze provozierten wie "Unglaublich: Dörte Spengler-Ahrens gründet Grey in Nürnberg" und "Unglaublich: Bulle Berndt wird Finanzchef von Scholz & Friends". Die Betroffenen nahmen’s mit Humor. Gestaltet hatte den Auftritt Römer Wildberger aus Berlin, die mit dem Spruch: "Unglaublich aber wahr: rtv ist neuer Hauptsponsor des ADC-Empfangs" eine Auflösung für ihre Kampagne lieferten.
Im Werk haben sich wenig später die üblichen Verdächtigen zum allabendlichen EM-Spiel eingefunden, darunter Matthias Kindler und ADC-Chefin Susann Schronen. Lange 130 Minuten, dann verführte die Nacht. Allerdings hatte da nicht jeder hat die freie Wahl: Eigentlich sind die Agenturpartys ja nichts anderes als weltweite Mitarbeitermeetings, dazu läuft Musik, ein bisschen Presse ist anwesend und geladene Gäste.
Ein Glamour-Event machen daraus vor allem die Türsteher: Der Zugang ist streng reglementiert, die Jungs verstehen kein bisschen Humor, wie Fleisch gewordene Totems bäumen sie sich auf und kaschieren, wie durchschnittlich so ein Mitarbeiter-Incentive doch sein kann. Da stehen sie alle ihrem Bier in der Hand und unterhalten sich, bei DDB am Martinez Beach Amir Kassaei und Jason Lusty; Leo Burnett feiern Ute Poprawe, Hans-Peter Albrecht und Kerrin Nausch zum Palm Beach.
Die Musik bei Leo Burnett war in diesem Jahr definitiv besser, DDB war mit Musik vom Band eingestiegen. "Deshalb tanzt hier auch niemand", beobachtet eine Pressedame zu Beginn, die alljährlich Eintrittskarten für Massive Music verteilt. Angeblich hatte sich DDB um einen DJ des Musiklabels bemüht, war mit dem Booking aber zu spät dran. Wie praktisch, dass da ein kleines Touristenzüglein zwischen Majestic, Martinez und Palm Beach verkehrt, um die Partyhopper directement von der DDB- zur Leo-Burnett-Party zu transportieren.
Mit Massive Music konnte am Freitagabend die Party der japanischen Produktionen konkurrieren, die so angesagt war, dass die Ordner am Ende selbst eingeladene Gäste nicht mehr passieren ließen. Doch auch diese Feier musste um 2.30 Uhr ihre Pforten schließen, der Lärmbelästigung wegen.
Wer nicht weiß, welche Filmproduktion wo in den Hügeln von Cannes der Nacht den Zauber zurückgibt, den die Croisette längst verloren hat, ist dazu verdammt, sich vor der Martinez oder der Gutter Bar in das altbekannte Setting einzureihen und sich die Nacht schön zu trinken. Hunderte Werber stehen auf der Straße, in der Hand ein Gin Tonic für 15 Euro, der vergessen macht, dass mit jedem Drink die Aussicht sinkt auf eine Nacht voll Glamour, Sex, Drugs und Rock'n'Roll. Am Ende bleibt das Bett und Cannes versinkt geräuschlos...