
"Nur ein Luftzug": Frauenfußball-WM reißt Werbebranche noch nicht vom Stuhl
Wunsch und Wirklichkeit: Trotz Medien-Hype rund um die Frauen-WM und hohem TV-Marktanteil treten Agenturen und Werbungtreibende auf die Euphorie-Bremse. Was die Spendings betrifft, droht das Sommermärchen 2011 auszufallen.
"Bei den Public-Viewing-Veranstaltungen am Sonntag war wenig Stimmung", klagt ein Insider aus der Getränkeindustrie mit Blick auf die Fifa Frauenfußball WM gegenüber W&V Online. Und wie sieht es mit Getränke-Vorbestellungen aus? "Vor der WM 2006 erlebten wir einen wahren Sturm, im Vergleich dazu handelt es sich jetzt um einen Luftzug."
So wie die Getränkeindustrie halten sich auch andere potenzielle Werbungtreibende bislang mit Einbuchungen in die WM-Umfelder von ARD und ZDF zurück. 73.680 Zuschauer vor Ort im Berliner Olympiastadion und über 14 Millionen Fans zuhause vor dem Bildschirm haben den 2:1-Sieg der WM-Damen im Spiel Deutschland – Kanada am Sonntag gesehen. 58 Prozent Gesamtmarktanteil - das sind Werte, die sich sonst nur die Männer erkicken.
"Ja, die Quote am Sonntag war besser als erwartet", sagt Wolfgang Schuldlos, Geschäftsführer von Zenithmedia in München. Dennoch tritt er auf die Euphoriebremse: "Dass die WM-Spiele der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gute Quoten erzielen, das war schon im Vorfeld erwartet worden. Aber die Zuschauerzahlen bei den Spielen mit nicht-deutscher Beteiligung werden überschaubar bleiben."
Media-Experte Schuldlos beschreibt das Dilemma: "Das WM-Turnier wird im Gesamtpaket vermarktet." Da die deutschen Frauen aber meist nach 20 Uhr antreten und die Spiele mit nicht-deutscher Beteiligung auf viel weniger Interesse stroßen, sei das Gesamtpaket eben nicht so attraktiv.
"Die Einschaltquote vom Sonntag zeigt, dass die Frauenfussball-WM die Menschen durchaus neugierig gemacht hat", sagt Herbert Sollich, der Marketingdirektor der Brauerei C.& A. Veltins: "Feststellbar ist aber auch, dass das emotionale Involvement bei den Menschen noch ausgeblieben ist. Wo sind die Deutschlandfahnen? Wo sind die jubelnden Menschen beim Public-Viewing? Noch suchen die Deutschen ihre Identifikation mit der Frauen-WM."
"Da sei noch reichlich Luft nach oben", findet Sollich. "Ob es letztlich reicht, dass der mediale Hype den Funken überspringen lässt, darf mit Spannung beobachtet werden. Von diesem Ausgang wird auch abhängen, ob dem Frauen-Fußball in Zukunft größeres Sponsoring-Potenzial zuzurechnen ist." Hinzu kommt - die Fans sind nur bedingt werbeaffin. Media Control hat am Montag in einer Sonderanalyse ermittelt, dass Männer ab 65 Jahren die größten Fans der DFB-Kickerinnen sind. Mit einem Marktanteil von 79,0 Prozent haben sich über drei Viertel der Zuschauer in dieser Zielgruppe für die ARD-Live-Übertragung ab 18.00 Uhr entschieden.
Beim ZDF und seinem Vermarkter gibt man sich dennoch optimistisch: "Der fulminante Auftakt ist für uns eine Bestätigung, dass auch die Frauen-WM ein Quotenhit wird. Auch gab es heute Vormittag schon Anfragen, die als Reaktion auf die tollen Quoten von gestern gewertet werden können. Ich glaube weiterhin, dass einige Kunden den Auftakt abwarten. Dies schließt den heutigen Sendetag mit ein. Denn erst heute findet ein 'normaler' Spieltag statt: zwei Spiele an einem Werktag ohne deutsche Beteiligung im werberelevanten Umfeld. Sollte der Tag gut laufen, rechne ich für die nächsten Tage mit konkreten Zubuchungen", sagt Christoph Lüken, Leiter Marketing beim ZDF Werbefernsehen.
Am Sonntag hat das Spiel Frankreich - Nigeria einen Marktanteil von immerhin knapp 20 Prozent erreicht. 3,2 Millionen Zuschauer haben sich dieses Match angeschaut. Vielleicht trägt der gute WM-Quotenauftakt dazu bei, dass die Begeisterung für Frauenfußball zumindest in der Bevölkerung weiter wachsen kann.
Auch wenn sich die Mediabranche bei der Frauen-WM noch zurückhaltend zeigt – die Ausstatter haben die Vorzüge des spannenden Werbeumfelds längst entdeckt. So hat Nike beispielsweise Mittelfeldspielerin Lira Bajramaj eingespannt. Die Frau mit der Nummer 19 soll – wie Mesut Özil aus dem Nationalteam der Herren – für den Sportartikelhersteller Werbung für neue Fußballtreter machen. Neu ist: Bajramaj wird ihr Schuh-Design in den Spielen bis zum Finale der WM jedes Mal ändern. Aus mehr als 250 Vorschlägen ihrer Fans auf Facebook hat sie sich fünf ausgesucht, um im Endspiel dann mit ihren selbst kreierten Schuhen aufzulaufen. "Der Platz ist unser Laufsteg", sagt Bajramaj im Werbespot.
mw/ps
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