Interview mit Pamela Grossmann:
Getty Images und das neue Frauenbild
Vor rund einem Jahr startete die Bildersammlung "Lean In Collection" des Bilderdienstes Getty Images. Die Datenbank soll ein neues Frauenbild in Stock- und Werbefotos etablieren. W&V Online hat mit Pamela Grossmann, Director Visual Trends, bei Getty Images über das Erfolgsprojekt gesprochen.
Vor rund einem Jahr startete die Bildersammlung „Lean In Collection“ des Bilderdienstes Getty Images. Die Datenbank soll ein neues Frauenbild in Stock- und Werbefotos etablieren. Anstelle des hausfraulichen Traditionsbewusstseins mit Kindern und Küchen, das nicht nur in der Werbung noch immer allzu gerne genommen wird, zeigt die Sonderedition selbstbewusste Frauen und Mädchen in Job- und Freizeitsituationen.
Das Getty-Projekt ist in Zusammenarbeit mit LeanIn.org entstanden, einer Organisation der Facebook-Chefin Sheryl Sandberg, die für die Stärkung der Frauen eintritt. Und es hat sich gelohnt: Mehrere Tausend Lean-In-Bilder sind bislang in 52 Ländern über die Online-Bilderdatenbank verkauft worden. Bei den meisten Firmen, die die Fotos zum Beispiel in ihren Werbematerialien verwenden, handelt es sich Getty-Angaben zufolge interessanterweise ausgerechnet um Finanzfirmen. Die versuchen damit, Frauen für den Sektor zu begeistern.
W&V Online hat mit Pamela Grossmann, Director Visual Trends, bei Getty Images über das Erfolgsprojekt gesprochen.
Frau Grossmann, wofür genau steht die „Lean In Collection“ eigentlich?
Die Lean In Collection ist die Bildsammlung von Getty Images, die bei der Mission helfen soll, Geschlechtersterotype einzureißen und die dazu Frauen in machtvollen Positionen zeigt – Männer dagegen in den Rollen des fürsorglichen Unterstützers. Indem wir mehr derartige Bilder erstellen und diese einfach zugänglich machen, fordern wir also die 1,5 Millionen Getty-Kunden auf der Welt auf, mehr dieser zukunftsorientierteren Bilder für ihre Projekte zu nutzen. Und: Je mehr wir diese Bilder in der Medienlandschaft verankern, desto schneller wird das Verständnis für das neue Frauenbild zur Normalität. Wir versuchen also den gängigen Standard von Frauenbildern in der visuellen Kultur zu verbessern.
Welchen Einfluss hatten Ihre Bilder bisher denn?
Rund 6.000 Bilder sind davon bislang gekauft worden, über alle Industrien hinweg. Die zwei größten Käufergruppen waren Finanzfirmen und Tech-Konzerne – Industriezweige also, die aktiv bemüht darum sind, mehr Frauen für sich zu begeistern. Seit die Bilderkollektion gestartet ist und in mehr als 65 Ländern verfügbar ist, haben sich die Verkaufszahlen mehr als verdoppelt. Die Käufer kommen unter anderem aus Kuwait oder Korea, genau so aber auch aus Ländern wie Saudi Arabien und Indien. Wir merken also, dass unsere Botschaft auf einem globalen Level Relevanz besitzt. Wir machen nicht nur ein kreatives Werkzeug, sondern wir führen eine Bewegung an.
Verglichen mit anderen Stock-Bildern: Welche Trends bildet die Lean In Collection ab?
Im Gegensatz zum größten Teil der Bilder, die noch immer auf dem Markt verfügbar sind – und übrigens auch zum überwiegenden Teil in den Medien – zeigt sie Frauen, die im Zentrum ihrer eigenen Geschichte stehen, anstatt passiv oder Nebenbei-Schmuckwerk zu sein. Diese Bilder sind authentisch, machtvoll und nicht offensichtlich sexualisiert. Sie bilden Frauen als facettenreiche und dynamische Menschen ab. Das ist die Richtung, die wir in der Gesellschaft einschlagen, langsam aber sicher wird die sich auch in der globalen Gesellschaft festsetzen. Wir haben aber auch darauf geachtet, andere positive Geschlechtertrends aufzunehmen, zum Beispiel alternative Familienmodelle mit gleichgeschlechtlichen Eltern.
Die Lean-In-Organisation zielt auf positive Stärkung ab. Frauen wie die Designerin Diane von Fürstenberg und die Schauspielerin Reese Witherspoon werden auf der Webseite gefeatured. Wie übersetzt sich das in den Bildern? Gibt es da etwa spezielle Kriterien für die Motive?
Absolut. Wir überprüfen die Auswahl gemeinsam mit Lean In und untersuchen da jedes einzelne Bild. Das führt manchmal zu lebhaften Debatten. Wir stellen uns Fragen wie: Spricht die Frau auf dem Foto, macht sie was mit Aktion, fühlt sie sich wohl in ihrer Haut? Hilft das Bild dabei, Geschlechtersterotypen aufzubrechen? Wir wollen, dass die Bilder dazu beitragen, die Welt vorwärts zu pushen und ein völlig neues Bild davon zu entwerfen, was für Frauen und Männer möglich ist. (ds/ccm)