Media mal ohne Strategie

Also machen wir jetzt Media ohne Strategie. Das klingt nach einer grandiosen Lösung. Geschuldet ist das Drama der Tatsache, dass wir Medien nicht mehr strategisch einsetzen, sondern nach Rabatten. Print wurde - Hand auf’s Herz - doch nur deswegen gekürzt, weil es nun einmal nicht die 80 Prozent Rabatt geben kann, die man an jeder Online-Straßenecke hinterhergeworfen bekommt - und neudeutsch Customer Journey heißt (wegen der Straßenecke vermutlich).

Die Mediastrategie - wenn wir sie denn so nennen wollen - wird längst im Mediaeinkauf gemacht. Den schwarzen Peter dafür schieben sich Kunden und Agenturen gegenseitig in die Schuhe. Doch das macht aus einer Einkaufsstrategie leider immer noch keine Mediastrategie.

Schauen wir uns die Wirklichkeit an. Das Fernsehen verliert Reichweite. So um die zwei Prozent, das kann man hier bei Sevenone Media  nachlesen. Noch ärger wird es, wenn man auf seine Kampagnenreichweiten schaut. Da sind es dann gut und gerne mal fünf Prozent und mehr, die plötzlich fehlen. Also braucht man (strategisch) ein Medium, das die fehlende Reichweite ersetzt. Ob sich dazu Online oder Facebook eignen, kann niemand sagen, sondern bestenfalls vermuten.

Print hat uns immer noch nicht den Gefallen getan zu sterben. Im Gegenteil: Print lebt, wie man an G+J’s Einführung von "Barbara"  sehen kann. Ohnehin besitzen Zeitschriften eine besondere Funktion, die kein anderes Medium so einfach ersetzen kann. Im Lean-Back-Modus nehmen wir Redaktion und Werbung deutlich intensiver wahr als Online. Wen das Thema interessiert (da es die Printmedien leider nicht selbst kommunizieren), kann es hier nachlesen.

Ich könnte jetzt fortfahren, dass Radio besser eingesetzt werden könnte, als nur Sonderangebote rauszuschreien (wenn man eine Strategie hätte) oder dass Digital-Out-of-Home die Außenwerbung um Zielgruppen-Touchpoints erweitert, von denen wir bislang nur träumen konnten.

Oder dass es bei Programmatic wichtiger sein wird, den richtigen Anteil am Einkauf zu bestimmen, als blindlings loszubuchen.

Oder dass Content nicht automatisch digital ausgeliefert werden muss, weil man doch erst die Zielgruppe, zweitens den Content und dann erst den Kanal bestimmen sollte.

Aber Sie haben meinen Punkt verstanden.

Jedes Medium hat eine individuelle Funktion(sweise), die es einzigartig macht. Eine Funktion für die Nutzer, die zunächst einen unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung der Werbung ausübt und dann eine Funktion - somit auch eine definierte Rolle - innerhalb der eigenen Mediastrategie. Aber was sage ich hier: Das weiß ja jedes Kind.

Weil jede Marke (natürlich völlig individuell positioniert) sich in einer anderen Situation befindet und jedes Briefing andere Ziele formuliert und daher richtigerweise jede Kampagne anders aussieht, deshalb macht es ebenso Sinn, jeder Kampagne eine eigene Mediastrategie zu verpassen. Es wäre doch geradezu frevelhaft, ausgerechnet dann, wenn das ganze, schöne Marketinggeld investiert wird, mehr oder weniger den gleichen Media-Mix einzusetzen wie alle Wettbewerber.

Meine Absicht ist nicht, Sie zu überreden, weniger TV und mehr Print oder digitale Medien mit mehr Gefühl und Augenmaß einzusetzen. Denn jede Marke muss ihren eigenen Weg gehen. Und der kann auch heißen, deutlich mehr in TV zu investieren. Das hängt davon ab, ob Sie eine Strategie verfolgen.

Die Verbraucher nehmen es wahr, wenn Sie Ihr Markendesign verändern. Sie nehmen wahr, wenn Sie eine neue Kampagne starten, die besser auf den USP einzahlt. In beiden Punkten werden Sie mir zustimmen. Ebenso nehmen Zielgruppen aber auch wahr, wenn Sie eine individuelle Mediastrategie entwickeln, die sich deutlich von der der Wettbewerber unterscheidet. Erfolgreiche Unternehmen wie Apple  machen das.

Ein heißer Advent ist besser als eine misslungene Kampagne

Wenn Sie Interesse haben, die Wirkung Ihrer Kampagne zu steigern, nutzen Sie doch die Besinnlichkeit der Adventszeit, um noch einmal auf Ihre Mediastrategie für das Jahr 2016 zu blicken. Damit meine ich nicht nur die zahlende Kundschaft, sondern ganz besonders die Mediaplaner.

80 Prozent der Mediaverantwortlichen werden dabei feststellen, dass sie gar keine richtige Strategie haben, dass also die Entscheidungen, die zu diesem austauschbaren Mediaplan führten, ziemlich unbegründet daherkommen. Das ist zwar immer noch besser als die 95 Prozent der Kampagnen und 99 Prozent der Online-Werbung, die laut Amir Kassaei Müll sind, bleibt aber dennoch verbesserungsfähig.

Ich sehe eine heiße Adventszeit vor uns und die Adventskränze in den Agenturen lichterloh brennen. Ich sehe Tausende von Kunden, die ihren Mediaagenturen die Adventstüren einrennen und nach einer Strategie rufen, die begründet ist und sich eindeutig vom Einerlei des Marktes abhebt. Und wenn nicht? Dann haben die wenigen Strategen, die jedem Medium in ihrem Streuplan eine klare Funktion und Rolle zugeteilt haben, 2016 wieder leichtes Spiel.

In jedem Spiel gibt es Sieger und Verlierer. Es liegt in Ihrer Hand, wie das Spiel um Aufmerksamkeit, Markenerfolg und Umsatz für Sie ausgeht. Let the games begin.   

Der Autor:

Thomas Koch genießt in der deutschen Mediaszene einen legedären Ruf. Er war Gründer und Geschäftsführer der Mediaagentur TKM, die er später mit Starcom Deutschland fusionierte. Heute ist er an mehreren Agentur-Startups beteiligt, berät Unternehmen, führt Medien-Workshops in Schwellen -und Entwicklungsländern durch und schreibt Kolumnen für W&V und die "Wirtschaftswoche". Außerdem ist er Herausgeber des Branchenmagazins "Clap".


Autor: Thomas Koch

Eine Ikone der Branche. Der Agenturgründer und frühere Starcom-Manager kennt in der Media-Branche alles und jeden. Thomas Koch ist Mr. Media.