TV-Produktion: Mehr Nachfrage, aber weniger Budget
Kommt das Wiedererstarken des Fernseh- und Werbemarktes nach der letzten Krise auch bei den Produzenten an? W&V Online hat vor allem den Produktions-Mittelstand befragt.
Die Programmesse Mipcom in Cannes ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Die deutschen Vertriebsfirmen – sei es SevenOne International als Tochter der kommerziellen ProSiebenSat.1-Familie, Jan Mojtos BetaFilm oder auch die Bavaria Media mit ihrem Fundus an öffentlich-rechtlichen Produktionen – spüren das Interesse der internationalen Käufer an deutschen Produktionen. Die Senderfamilien selbst haben in diesem Jahr Rekordzahlen vorgelegt. Kommt das Wiedererstarken des Fernseh- und Werbemarktes nach der letzten Krise aber auch beim letzten Glied der Kette an – bei den Produzenten? W&V Online hat vor allem den Produktions-Mittelstand befragt. Und siehe da: Die Nachfrage der Sender an sich hat wieder zugenommen. Doch die Budgets im Produktionssektor nehmen eher ab.
Deutlich bringt es Axel Kühn auf den Punkt, Geschäftsführer von Shine Germany. Das Murdoch-Unternehmen pflegt seit zwei Jahren hierzulande Standorte in Köln und München. Kühn kann für sein "noch sehr junges Produktionsunternehmen" festhalten, dass die letzen Monate "natürlich von Wachstum geprägt" seien. "Allerdings nicht aufgrund gestiegener Produktionsbudgets", schränkt der Produzent ein. Diese seien immer noch extrem unter Druck. Axel Kühn hat den Eindruck, die Sender würden versuchen, "den Druck noch weiter zu erhöhen". Das Renditedenken der Sender ist bekannt. Sylvia Fahrenkrog-Petersen, Geschäftsführerin der Good Times Fernsehproduktions-GmbH, nennt ein konkretes Beispiel: "Der Einsatz neuer Technik und Verbreitungswege geht fast hundertprozentig zu Lasten der Produzenten. Wenn du ein erfolgreiches Format produzierst und eine zweite Staffel bestellt wird, kann es dir heute passieren, dass du die Mehrkosten beispielsweise für HD tragen musst.
Fahrenkrog-Petersen bedauert auch, dass sich bei den Sendern eine "geringere Risikobereitschaft" breit gemacht hat. "Wenn man bedenkt, Programme wie ‚Gute Zeiten, schlechte Zeiten‘ oder ‚Schreinemakers‘ bis hin zum ‚Perfekten Dinner‘, haben alle ihre Zeit gebraucht, bis sie so erfolgreich, wenn nicht gar Kult wurden. Heute hat man oft nicht mehr die nötige Gelassenheit, einem Format etwas Zeit zu geben, noch einmal daran zu arbeiten und die Dinge zu optimieren", erklärt Sylvia Fahrenkrog-Petersen. Aber immerhin mit einem Format hat es Good Times in die Liste der Langläufer geschafft: "Der Trödeltrupp" läuft seit über zwei Jahren bei RTL II, die 200. Folge ist im Kasten.
Vielleicht liegt es auch am Genre? Tolle Event-Filme liegen im Trend – Sat.1 beispielsweise hat mit Quoten-Erfolgen wie "Die Wanderhure" wieder Lust am eigenproduzierten Movie bekommen. Überhaupt: Nach Formatt-Zahlen gehört Sat.1 zu den Sendern, die die meisten Produktionsminuten vergeben. Entsprechend können Urheber der Fiction-Ware nicht unbedingt klagen. Astrid Quentell, Senior Vice President der Sony Pictures Film- und Fernsehproduktions GmbH in Hürth bestätigt: "Wir freuen uns vor allem, dass gerade in letzter Zeit das Interesse an höherpreisigen fiktionalen Programmen wieder zugenommen hat und wir so in diesem Jahr in unserer gesamten Bandbreite von Docutainment über Shows bis hin zu fiktionalen Serien produzieren können."
Auch die fehlende Experimentierfreudigkeit scheint von Genre zu Genre zu variieren. Martin Husmann, Geschäftsführer von Blue Eyes gibt eine vorsichtige Prognose ab: "Aktuell ist trotz der Schuldenkrise und ersten Signalen einer Konjunkturabkühlung durchaus eine wachsende Risiko- und Experimentierfreudigkeit der Sender zu beobachten: Dass unsere Eigenentwicklung ‚Die Alm‘ zum zweiten Mal nach 2003 bei ProSieben auf Sendung gehen konnte, ist ein wichtiges Indiz dafür." Er freut sich auch, "dass qualitativ hochwertige Formate bei Startschwierigkeiten nicht mehr sofort abgesetzt werden, sondern mit einer zweiten Staffel eine Chance zur Fortsetzung erhalten". So habe sich die von Blue Eyes produzierte Doku-Soap "Die strengsten Eltern der Welt" auf Kabel eins immer erfolgreicher entwickeln können, so Husmann. Seine Zukunftsprognose für die Produzentenlandschaft ist "leicht positiv", obwohl seit dem Platzen der Medienblase Anfang 2001 die Budgets "auf ein Notwendigkeitslevel" seien und sich Produzenten den geringeren Budgets der Sender angepasst hätten. "Fairerweise muss man anmerken, dass die technische Ausstattung heute günstiger ist als noch vor einigen Jahren", räumt der Blue-Eyes-Lenker ein.
Und was kann die Produzentenallianz für ihre Mandanten leisten? Sie ist gegründet worden als Sprachrohr für die Produzenten und vertritt die Branche gegenüber den Sendern, wenn es etwa um Rechtefragen oder Erlösschlüssel geht. "Sicherlich hat sich durch die Arbeit der Produzentenallianz die Visibilität der Branche in der Politik merklich vergrößert", meint Astrid Quentell von Sony Pictures. Als positives Beispiel für gute Verhandlungen mit den Sendern führt sie die zukünftige gemeinsame VoD-Plattform zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und einigen Produzenten an, Germany's Gold. Ähnlich sieht es Axel Kühn von Shine Germany: "Die Eckpunktevereinbarungen mit ARD und ZDF sind natürlich bereits ein großer Schritt. Viel wichtiger erscheint mir aber die sehr offene Kommunikation, die wir Produzenten nun untereinander haben." Immerhin etwas.